von Maximilian Kernchen
Richtet der geneigte Beobachter seinen Blick auf die Geschichte des heute zur Gemeinde Windeck zählenden Abschnitts des Siegtals, kann das geschulte Auge zahlreiche Spuren der Vergangenheit ausmachen, von denen einige verborgen, andere offensichtlich und viele leider dem Verfall überlassen sind. Seien es keltische Ringwälle, die Fundamente fränkischer Türme, sowohl erhaltene, als auch vergessene Gemäuer des Mittelalters oder die Reste deutscher Schützengräben – das Gestern hat dem Windecker Ländchen seinen Stempel aufgedrückt und wartet nur darauf, heute wiederentdeckt und dem Morgen anvertraut zu werden.
Ein Beispiel dafür stellt die Restauration der Überreste des Mausoleums des Rittmeisters Hans F. J. Rive auf dem ehemaligen Gut Schöneck bei Schladern durch eine Gruppe von Freiwilligen um den Windecker Arzt, Schriftsteller und Lokalhistoriker Dr. Frieder Döring dar. Letzterer war so freundlich, mir bei einem gemeinsamen, als Grundlage dieses Aufsatzes dienenden Gang durch Schöneck die Geschichte des Guts sowie des Mausoleums und dessen Restauration zu vermitteln. Das Mausoleum sollte der Familie des Rittmeisters als Ruhestätte dienen, als welche es für den Erbauer und dessen Mutter auch – wenngleich nicht für immer – fungieren sollte. Das Gut Schöneck, ursprünglich bekannt als Domäne Gauchel, hat eine lange Geschichte, die sich bis in die Jahre 1575 und 1600 mit Erwähnungen auf Karten und Handzeichnungen zurückverfolgen lässt.[i] In einer Schleife der Sieg gelegen, den steilen Hügel „Auelsberg“ im Rücken und von felsigen Abhängen auf dem gegenüberliegenden Flussufer flankiert, stellt das Gebiet etwas wie eine verborgene Zuflucht zwischen Bäumen dar, was sich auch mit Umleitung der Sieg im Rahmen des Eisenbahnbaus Mitte des 19. Jahrhunderts nicht geändert hat. Es ist also kein Wunder, dass sich hier Spuren der Vergangenheit trotz allem erhalten haben.
Ausschnitt der Zeichnung von 1600 (Johann v.d. Waye), Gauchel in der Mitte. Aus: Schröder (2008). |
Ursprünglich als zehntpflichtiger Hof zum Pastorat Dattenfeld zählend, hat dieser Flecken Erde zahlreiche Besitzer und Funktionen gesehen. Aus dem Jahr 1800 ist bekannt, dass sich dort ein Kameralhof mit um 1680 erbauten, baufälligen Wirtschaftsgebäuden befunden hatte, eine bergischen Domäne.[ii] Ich konnte nicht herausfinden, was aus diesem wurde, allerdings muss um die Hälfte des 18. Jahrhunderts ein neuer Gutshof im spätbarocken Stil entstanden sein.
Gegen Ende selbigen Jahrhunderts entstand auf dem Gebiet zusätzlich eine sogenannte „Bläuelfabrik“, welche vermutlich aus dem Siegerland stammendes Kobalterz zu blauer Farbe weiterverarbeitete und die dabei entstehenden giftigen Abfälle in den Fluss leitete. Aus der als „Franzosenzeit“ bekannten Periode der Besetzung unter Napoleon ist bekannt, dass der Inhaber der „Bläuelfabrik“ an finanziellen Problemen litt. Später sollte sie zugrunde gehen, wahrscheinlich hat der Import des günstigeren Indigoblaus aus Indien dazu beigetragen. Einige der soliden Fabrikgebäude fanden später jedoch anderen Nutzen (etwa als Ställe) und stehen bis heute. In all dieser Zeit wurde das Gebiet auch fortwährend landwirtschaftlich genutzt.[iii] Nach der Franzosenzeit wurde das Gut in der Folge des Wiener Kongresses 1815 zusammen mit dem Rheinland Preußen zugesprochen. In dieser Zeit bestand die Fabrik weiter (wenigstens bis 1830), auch die landwirtschaftlichen Tätigkeiten Gauchels wurden fortgeführt. Nach der preußischen Übernahme wurde das spätbarocke Gebäude sehr wahrscheinlich renoviert und diente dem Verwaltungspersonal Gauchels als Wohnhaus.[iv]
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sollte für Gauchel schließlich die kurze, architektonisch jedoch richtungsweisende Rivezeit anbrechen. Carl Hermann Joseph Rive, Generaldirektor einer Zeche bei Essen und Abkömmling eines bis heute bestehenden, aus der Stadt Dorsten stammenden, weitverzweigten Geschlechts,[v] plante den Erwerb des Guts, da er Interesse an den Siegerländer Eisengruben hegte und zudem auf der Suche nach einem Sommersitz für seine Familie war. C. H. J. Rive verstarb 1892, bevor er den Kauf und seine Pläne des Baus einer Villa verwirklichen konnte. Im Jahr 1900 schließlich wurde Gauchel von Hans Friedrich Josef Rive, Sohn des Verstorbenen und Rittmeister des achten preußischen Kürassierregiments, erworben. Aus der Domäne Gauchel wurde so das Gut „Schöneck“. Drei Jahre später stellte dieser eine bis heute bestehende Villa im Jugendstil fertig.[vi] Zusätzlich zur Villa entstanden noch ein Bedienstetenhaus, ebenfalls im Jugendstil, mit Stallungen im Erdgeschoss, darüber zwei bis in die Nachkriegszeit genutzte Wohnungen.[vii] Im Jahr 1911 heiratete er Anna Maria Thekla Felicitas Eleonore Herstatt, Tochter einer bekannten Kölner Bankiersfamilie,[viii] mit der er drei Töchter und einen Sohn hatte: Maria, Ada-Maria, Renate und Hans.[ix]
Das Gut wurde vor allem landwirtschaftlich genutzt. Die Rives verpachteten das Gebiet; neben Äckern und Weideflächen gab es später auch Obstanbau, schließlich wurde unter einem Herrn Waldemar Caminneci (offenbar ein Freund der Familie, da er ein Trauzeuge Ada-Marias war) eine Baumschule eingerichtet, die Fichten anpflanzte. Das Land wurde trotz des mehrfachen Besitzwechsels Schönecks bis in die jüngste Zeit vielfältig genutzt, so wurde etwa der Ackerbau bis wenigstens in die Vorkriegszeit betrieben.[x] Zuletzt ließ man wegen des Holzmangels der Nachkriegszeit (wie überall in Windeck) wieder Fichten anpflanzen. Die Borkenkäferplage der letzten Jahre hat die meisten dieser Bäume vernichtet. Inzwischen findet ein Wiederaufforstungsprojekt statt, unter anderem werden Douglasien und Baumarten des mediterranen Raums angepflanzt, in der Hoffnung, diese würden die erwartete Klimaerwärmung besser überstehen. Es bleibt zu hoffen, dass solche Projekte erfolgreich sind und die großen Waldschäden Windecks in einigen Jahren der Vergangenheit angehören.
Die Fabrikgebäude im Jahr 2023. Fotos von M.K., 2023. |
Der spätbarocke Gutshof. Aus: Archiv Dr. Frieder Döring. |
Schöneck auf dem Ausschnitt einer Postkarte von 1905, aus: Schröder (2008). |
Besagtes Dokument mit einer Beschreibung der Villa, einer Erwähnung des Mausoleums und Vermutungen zur Nutzung Schönecks, zur Verfügung gestellt vom Windecker Bauamt. |
Das Bedienstetenhaus. Aus: Schröder (2008). |
Der Auelsberg und das Gutsland mit Wiederaufforstungsarbeiten. Fotos von M.K., 2023. |
Neben den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden errichtete H. J. F. Rive im Jahr seiner Eheschließung ein Mausoleum[xi] im neogotischen Stil, etwas abseits vom Gut, in einem Eichen- und Buchenhain hinter den Gebäuden der ehemaligen Bläuelfabrik. Neben einer Kuppel mit Turm verfügte der Eingang des attraktiven Bauwerks über ein schmiedeeisernes Gittertor, darüber der Schriftzug „Pax Intrantibus“ (‚Friede den Eintretenden‘), im Innenraum stand ein großer weißer Marmorengel auf einem Sockel desselben Materials. Dahinter befand sich eine Apsis, in der sich beidseitig zwei Särge auf Podesten befanden, dazwischen ein Kreuz auf weißem Marmor. Die Apsis war durch ein eisernes Tor verschließbar. Das Mausoleum verfügte über einen gestampften Vorhof, der wiederum von einem eisernen Geländer eingehegt war.[xii] Den Weg zum Grabgebäude flankierten große Buchen, zwei besonders große, die 200 Jahre alten, von Herrn Döring empathisch „Wächterbuchen“ getauft, standen schließlich je links und rechts am Ende des Weges. Ebenfalls auf dem Gelände befand sich noch eine Quelle, welche während der Zeit des Historismus im Sinne eines „Quellenheiligtums“ eingefasst worden war. Diese Stätte erinnert an andere Windecker Quelleinfassungen, wie den sogenannten „Heilbrunnen“ in einem Waldtal bei Ohmbach, welcher in der selben Zeit eingefasst wurde. Die erste im Mausoleum bestattete Person war Anna Luise Hermine Amalie Blanke, Mutter des Rittmeisters, welche am 21.02.1923 verstarb, mehr als dreißig Jahre nach ihrem Ehemann. Sie wurde in einem eisernen Sarg in der Apsis beigesetzt. Ihr Sohn sollte ihr dreizehn Jahre später folgen, er verstarb am 05.01.1938 im Alter von 58 Jahren. Von den Kindern des Schönecker Zweigs der Rives ist nur bekannt, dass Ada-Maria den Gutsverwalter Emil Otto Herbert von Wülfing heiratete, während Renate keine Nachkommen hinterließ. Über den Sohn Hans ist nichts bekannt.[xiii]
Das Mausoleum in intaktem Zustand. Alter des Fotos unbekannt. Aus: Schröder (2008). |
Das Familiengut wurde am 25.03.1937 an Dr. Otto Bartz aus Düsseldorf verkauft, im Jahr vor Hans. J. F. Rives Tod. Schöneck wechselte nach der vergleichsweise kurzen Rivezeit mehrfach den Besitzer; so verkaufte Bartz das Gut 1941 an Dr. Adolf Pagenstecher. Durch Tausch und Vererbung gelangte es beinahe exakt zehn Jahre später an Herbert Kay Horstmann. Die Villa wurde von 1969 – 1979 wiederum durch das Ehepaar Kägelmann von der Horstmannschen Vermögensverwaltung gepachtet und als Heilkurhaus genutzt.[xiv] Das Bedienstetenhaus wurde 1969 abgerissen, um Raum für einen Parkplatz zu schaffen. Ein ähnliches Schicksal traf den alten barocken Gutshof Gauchel Anfang der 60er, da eine Renovierung zu kostspielig gewesen wäre. Übrig geblieben sind nur Überreste eines kleinen Annexes, nicht mehr als ein gemauerter Block. Beide Gebäude wurden trotz Denkmalschutz zerstört, finanzielle und praktische Interessen überwogen jedes historische Bewusstsein.
Oben der ehemalige Parkplatz auf der Fläche des abgerissenen Bedienstetenhauses, unten die letzten Reste des alten Gutshofs. Fotos von M.K., 2023. |
1979 wurde die Villa schließlich mit dem umgebenen Park vom Gutsland abgespalten und vom Ehepaar Edith und Werner Weiß erworben, restauriert und als Alten- und Pflegeheim genutzt. In einer anderen Version wurde das Gut erst 2002 aufgeteilt und der Waldbesitz an einen Albert Holschbach verkauft. Es ist also wahrscheinlich, dass beide Gebiete bis zu diesem Zeitpunkt nur unterschiedlich verpachtet wurden.[xv] Sicher ist, dass die Villa an die Franziskus-Hospital- und Pflegezentrum GmbH mit Sitz in Mayen überging und so im Besitz des Ordens der Franziskanerinnen von der heiligen Familie war. Gemeinsam mit dem 15000 Quadratmeter großen Park diente sie weiter als Altenpflegeeinrichtung.[xvi] Nach weiteren Wechseln und einer Zeit des Leerstands wurde die Villa schließlich von Herrn Uwe Diekmann gekauft,[xvii] welcher sie originalgetreu wiederherstellen ließ. Auch das auf dem Gebiet des barocken Gutshofs gelegene Haus wurde durch Herrn Holschbach renoviert und wird wieder genutzt.
Die renovierte Villa Schöneck. Fotos von M.K., 2023. |
Das Mausoleum, an sich ein stabiler Bau, überstand den Krieg relativ spurlos, wenngleich im direkten Umfeld von Resten der Wehrmacht Schützengräben ausgegraben und offenbar auch genutzt wurden. Sie sind relativ tief – ich schätze sie am tiefsten Punkt auf über drei Meter vom Boden der Grube bis zum erhaltenen Kamm des Walls. Nach dem Krieg war das Mausoleum leider dem Verfall ausgesetzt. Architektonisch zwar attraktiv und erhaltenswert, war es nicht unter den Denkmalschutz des restlichen Guts gestellt (welcher dieses wiederum nicht vor Schaden bewahrte), zumal die abgelegene Lage es leicht machte, sich am Bauwerk zu vergehen. Bis in die sechziger Jahre intakt, hat ihm in den Folgejahrzehnten nicht nur der Zahn der Zeit, sondern auch die Hand des Menschen beträchtlich zugesetzt. Zunächst brachen Turm und Dach ein, zudem ist bekannt, dass Schrotthändler mittels Traktoren und Ketten Metallteile der Dachkonstruktion einfach heruntergerissen haben. Über den Verbleib der Särge gibt es widersprüchliche Informationen. Laut eines Zeitzeugen lebte der Gutsverwalter Trittmann während der Jahre 1944 und -45 mit seiner Familie aus Angst vor einem Bombardement durch alliierte Flugzeuge im Mausoleum. Währenddessen waren Engelsskulptur und Särge auf den Vorplatz ausgelagert.[xviii] Willi Schröder geht in seiner Broschüre „Von der Domäne Gauchel zum Gut Schöneck“ davon aus, dass sie in den Kriegswirren von 1945 verschwunden sind (dies würde zur Auslagerung passen), während Herr Döring in seiner Schrift „Das Mausoleum des Rittmeister Hans F. J. Rive in Schöneck“ feststellt, dass die Särge erst nach der Zerstörung von Dach und Turm verschwanden. Da diese Anfang der 1960er Jahre noch intakt waren, müssen auch die Särge erst später entwendet worden sein.[xix] Herr Döring geht davon aus, dass sie ebenfalls von den Schrotthändlern entwendet wurden, welche wahrscheinlich auch den schmiedeeisernen Zaun stahlen, der den Mausoleumsplatz umfasste. Eine makabre, aber naheliegende Vermutung, da sie aus Metall gefertigt und daher von Interesse für die Plünderer waren. Auch Vandalen haben dem Bau zugesetzt, bis zuletzt nurmehr ein von Ahornwuchs überzogener Schutthaufen vom ehemaligen Prachtbau geblieben war, welcher Wanderern und Jugendlichen als Müllplatz diente. Aus diesem ragten noch die Tore der Apsis hervor – das weiße Marmorkreuz wurde bereits in den 1950ern zunächst in der katholische Kirche in Schladern aufgehängt, aus der es später nach einer Renovierung verschwand. Auch vom Engel, der lange Zeit kopflos über die Reste seines Heims gewacht hatte, ist nur der Sockel geblieben.[xx] Ein Teil des Mausoleums – das Familienwappen – ist intakt erhalten, da es von einer Person aus dem nahegelegenen Ort Schladern vom im Prozess der Plünderung und des Verfalls befindlichen Gebäude entfernt und an anderer Stelle, am durch die Umleitung des Flusses entstandenen Altarm der Sieg, an einer Felswand angebracht wurde. Dort befindet es sich bis heute, inzwischen mit einer Plakette versehen, und kann besichtigt werden.
Das Wappen in der Felswand – die Plakette befindet sich direkt darüber. Fotos von M.K., 2023. |
Das Mausoleum im Jahr 1983. Von H. Röhrig in: Döring (2020). |
Das Mausoleum im Jahr 1983. Aus: Archiv Dr. Frieder Döring. |
Das Mausoleum im Jahr 2012. Aus: Archiv Dr. Frieder Döring. |
Das Mausoleum im Jahr 2016. Aus: Archiv Dr. Frieder Döring. |
Bilder aus je 2018 und 2019 verdeutlichen den bis in jüngste Zeit kontinuierlich Verfall. Aus: Archiv Dr. Frieder Döring. |
Der Impuls für die Mausoleumsrenovierung ging auf Herrn Döring zurück, welcher den Bau seit seiner Kindheit kannte und den Verfall persönlich miterlebte. Er hatte sich immer wieder am Müll gestört, der an der Ruine entsorgt wurde, was in ihm schließlich den Wunsch entfachte, etwas an der Situation der historischen Stätte zu ändern. Bei einem Picknick des Vereins „Windeck im Wandel“ (WiWa) im Jahr 2019 trug er schließlich seine Idee einer Renovierung des Mausoleums vor und fand ein Dutzend Freiwilliger, welche sich dazu bereit erklärten.[xxi] Im September dieses Jahres folgte der nächste Schritt, die Erlaubnis des auch als Denkmalbehörde fungierenden Bauamtes musste eingeholt werden, wobei die Gruppe sich mit einem großen Problem konfrontiert sah: das gesamte Gebiet um das Ufer der Sieg und ein großer Teil des ehemaligen Guts Schöneck steht unter Naturschutz, weswegen jede Art baulicher Maßnahme nahezu unmöglich ist – auch die bisher beschriebenen Arbeiten am Gut waren nur gestattet, da die Gebäude bereits vorhanden waren. Ein vollständiger Restaurationsversuch wäre nicht gestattet worden, weshalb Herr Döring eine freiwillige und ehrenamtliche Aufräumaktion der Müllhalde des ehemaligen Mausoleums anmeldete. Im Oktober und November wurde die Ruine inspiziert, durch widriges Wetter musste der Projektbeginn jedoch noch verschoben werden. Erst in den letzten Tagen des Jahres 2019 wurden Arbeiten möglich, Herr Döring machte den Anfang, indem er den Schutthaufen schichtweise abzutragen begann und Steine sortierte. Nach dem Jahreswechsel wurde jeden Samstag gearbeitet, eine aus Frauen bestehende Gruppe traf sich im Frühjahr sogar zusätzlich jeden trockenen Mittwoch, um weiter zu räumen. Wegen ihrer hauptsächlichen Arbeit, der Beseitigung des Schutts und der Trennung von Ziegeln und Feldsteinen wurden sie auf den Namen „Trümmerfrauen“ getauft. Viele Artefakte konnten gefunden werden, darunter Reste der Grabtafeln, Verzierungen der Särge, Scherben von Buntglas, Mosaikstücke und anderes.
Die Arbeit an den Überresten des Mausoleums, eigentlich eine Nacht-und-Nebel-Aktion, hat viel erreicht. Der Schuttberg und die instabilen Grundmauern wurden abgetragen. Letztere wurden dann neu hochgezogen, bis sie etwa Brusthöhe erreicht hatten – so wollte man weiteren Einstürzen vorbeugen. Der wieder freigelegte Boden der Innenräume ist überraschend gut erhalten, einschließlich zweier direkt aneinander verlaufender, reliefartige Linien im Boden, welche jeweils aus blauen und weißen Steinchen bestehen und den Übergang in die Apsis als eigentlicher Gedenkstätte und Ruheort der Verstorbenen markierten, zudem wurde eine Informationstafel mit Informationstext und Bildern des Mausoleums in jedem seiner Zustände aufgestellt. Der Vorhof wurde mit einem Wall aus Schuttsteinen eingezogen und aufgeräumt, sogar eine der eisernen Gittertüren des Eingangs konnte entdeckt und wieder angebracht werden. Die mit Streben fest eingemauerten Apsistore waren verklemmt. Um sie wieder beweglich zu machen, half man sich kurzerhand mit einem Traktor, mit dessen Hilfe sie aus der Mauer herausgerissen werden konnten. Dabei scheint man behutsam vorgegangen zu sein, da kein besonderer Schaden entstanden ist. Als Erinnerung an die entwendeten Särge wurde in den Resten der ausgegrabenen Apsis ein mittig gelegener symbolischer Sarkophag aus geborgenen Stuckresten geschaffen, auf dem Bruchstücke der gravierten Gedenkplatte Hans F. J. Rives platziert wurden – eine schöne Geste, die etwas von der ursprünglichen Funktion der Stätte wiederherstellt. Neben alldem wurde auch die benachbarte Quelle neu eingefasst. Einzig die Rückseite des Mausoleums wurde belassen wie sie ist, um eine Idee des ursprünglichen Zustands als Schutthaufen zu erhalten. Besonders dank der fleißigen Mehrarbeit des sechs Personen umfassenden harten Kerns der Freiwilligengruppe konnte das Ziel nach einem halben Jahr erreicht werden, sodass Ende August eine Einweihungsfeier begangen werden konnte. Zu dieser waren neben der Restaurationstruppe und den Vereinsmitgliedern von „Windeck im Wandel“ auch der Gutsbesitzer Herr Holschbach und die amtierende Windecker Bürgermeisterin eingeladen. Seither wurde die restaurierte Stätte leider erneut beschädigt: Bei einem Sturm ist eine der Buchen auf einen Teil der aufgeschichteten Außenmauer gestürzt, allerdings wurde sie in der Zwischenzeit wieder entfernt und die Eingrenzung repariert.
Wie sieht jedoch die Zukunft Schönecks abseits des Mausoleums aus? Intensive Arbeiten können nicht stattfinden, so werden die Reste der Bläuelfabrik etwa in ihrem (gut erhaltenen) Zustand verbleiben. Die zerstörten Waldflächen werden gegenwärtig wieder aufgeforstet, Landfläche und Auelsberg werden in einigen Jahren nicht mehr kahl dastehen, und es ist zu erwarten, dass Schöneck erneut eine verborgene Zuflucht zwischen Fluss und Bäumen sein wird. Was das Mausoleum angeht, hat Herr Döring die schöne Idee, es als eine Freilichtbühne der Kulturinitiative Windeck zu nutzen, für Veranstaltungen mit einer kleineren Anzahl an Teilnehmern. So ließe sich hoffentlich sicherstellen, dass das öffentliche Bewusstsein für die Stätte gefördert wird. Nach Abschluss der Arbeiten hat die Freiwilligentruppe ihr Interesse an der Renovierung weiterer Ruinen bekundet. Herr Döring hat mir von einigen anderen historischen Stätten berichtet, die dafür in Frage kämen – so der ehemalige Bauernhof Kölschbach bei Ommeroth oder ein durch Waldarbeiten teils zerstörter, aus Findlingen bestehender Steinkreis am Kaltbachsberg, von Schöneck aus ein Stück westlich gelegen. Leider werden solche Projekte aus Naturschutzgründen rigoros abgelehnt, da unter anderem gefürchtet wird, dass die wiederhergestellten Erinnerungsorte Touristen anziehen könnten. Es ist bedauernswert, wie wenig das historische Erbe Windecks gepflegt wird. Betrachtet man die Geschichte Schönecks und erweitert den Blick auf andere Stätten, wie etwa den überwucherten Herchener Thingplatz, den Zustand des Heilbrunnens bei Ohmbach, den Steinkreis und viele mehr, drängt sich der Gedanke auf, dass der Geschichte wenig Interesse entgegengebracht wird. Gut, dass historisch interessierte Personenkreise existieren, welche das Erbe erhalten wollen, damit auch künftige Generationen daran teilhaben können. Wünschenswert wäre eine Ausweitung des Denkmalschutzes sowie die öffentliche Förderung von Projekten wie der Mausoleumsrestauration. Zahlreiche historische Stätten des Siegtals könnten so vor dem Vergessen und weiterem Verfall bewahrt werden.
Mein Dank gilt insbesondere Herrn Döring für seine umfangreiche Hilfsbereitschaft und Expertise, darüber hinaus den Herren Albert Holschbach, Raphael Traut und dem Ehepaar Diekmann für die Erlaubnis zur Verwendung meiner Fotos Schönecks, sowie Frau Barbara Hammermann, welche mir die Verwendung der Bilder aus der Broschüre ihres Vaters gestattete.
Verschiedene Ansichten des Mausoleums. Aus: Archiv Dr. Frieder Döring. |
Verschiedene Ansichten des Mausoleums. Aus: Archiv Dr. Frieder Döring. |
(2023)
Literaturverzeichnis
Stegemann, Wolf: Dorsten-Lexikon, Stichwort „Familie Rive“, http://www.dorsten-lexikon.de/rive-familie/ (veröffentlicht am 26.10.2014).
Döring, Frieder: Das Mausoleum des Rittmeisters Hans F. J. Rive in Schöneck. Eine Renovierungsgeschichte in Windeck Schladern. Windeck (2020). Windeck im Wandel e.V. und KulturInitiative Windeck e.V.
Schröder, Willi: Von der Domäne Gauchel zum Gut Schöneck. Windeck (2008), Verkehrsverein Windecker Ländchen.
Denkmalsbeschreibung „Haus Schöneck“ in Windeck-Schladern, Schönecker Weg 10. Zur Verfügung gestellt vom Bauamt Windeck.
[i] | Vgl. Schröder (2008) S. 1. |
[ii] | Vgl. ebenda S. 1ff. |
[iii] | Vgl. ebenda S. 4ff. |
[iv] | Vgl. ebenda S. 9 und Döring (Korrespondenz). |
[v] | Vgl. http://www.dorsten-lexikon.de/rive-familie/ (Stand 29.02.2023). |
[vi] | Vgl. Döring (2020) S. 4. |
[vii] | Vgl. ebenda S. 4. |
[viii] | Vgl. Schröder (2008) S. 13. |
[ix] | Vgl. Döring (2020) S. 4. |
[x] | Vgl. Schröder (2008) S. 16ff. |
[xi] | Vgl. Döring (2020) S. 4. |
[xii] | Vgl. Schröder (2008) S. 15. |
[xiii] | Vgl. Döring (2020) S. 4. |
[xiv] | Vgl. Schröder (2008) S. 20ff. |
[xv] | Vgl. Döring (2020) S. 5. |
[xvi] | Vgl. Schröder (2008) S. 24. |
[xvii] | Vgl. Döring (2020) S. 5. |
[xviii] | Vgl. ebenda S. 4. |
[xix] | Vgl. ebenda S. 18f. |
[xx] | Vgl. ebenda S. 17f. |
[xxi] | Vgl. ebenda S. 6, 18. |