von Daniel Altkemper
Das Erscheinungsbild der Stadt Siegen ist geprägt von zahlreichen Bunkern, die in der Zeit des zweiten Weltkriegs gebaut wurden: Von der Oberstadt bis hin nach Weidenau. Es drängen sich die Fragen auf, warum es eigentlich so viele Bunker in Siegen gibt und ob sie heutzutage noch in irgendeiner Weise genutzt werden? Diese Fragen sollen in diesem kurzen Artikel etwas näher beleuchtet werden.
Die Städte des deutschen Reiches wurden nach dem Grad ihrer Luftgefährdung in Städte I., II. und III. Ordnung eingestuft. Die Stadt Siegen selbst wurde von der deutschen Luftwaffe als eine von 104 Luftschutzorten I. Ordnung aufgeführt. Die Gründe für die Einstufung in die Kategorie I. Ordnung findet man im Stadtarchiv Siegen. In einer Denkschrift, deren Entstehungsdatum unbekannt ist, heißt es: „Der Luftschutzort Siegen liegt an den Eisenbahnstrecken Köln-Siegen und Siegen-Frankfurt a. M. Gute Orientierungsmöglichkeiten auf dem Flug von der Westgrenze her sind […] für den Feindflieger gegeben. […]
Der Luftschutzort Siegen ist Schlüsselstellung und infolge seines bergigen Geländes geeignet, […] Feindkolonnen wirksam Widerstand entgegenzusetzen. […]
Siegen ist selbst Garnisonsstadt. Hier werden im A-Falle im Luftschutzort Wehrergänzungen aufgestellt, ausgebildet und auf dem Bahnhof Siegen verladen. […]
Eine weit verzweigte Rüstungs- sowie Kriegs- und lebenswichtige Industrie wird den Luftschutzort Siegen zum besonderen Anziehungspunkt der feindlichen Luftwaffe werden lassen. Außerdem werden die Infanterie und Artilleriekasernen mögliche Ziele der feindlichen Luftwaffe und gefährden dadurch den Luftschutzort in weitem Maße.“
Betrachtet man diese Gefahreneinschätzungen für die Stadt Siegen, so ist es nicht verwunderlich, dass alleine in Siegen 16 Bunker geplant wurden, ganz zu schweigen von 19 Stollen und Tunneln im weiteren Stadtgebiet. Die Bunker verteilen sich wie folgt:
Bunker Marienkrankenhaus, Bunker Stadtkrankenhaus, Bunker Amtskrankenhaus Weidenau, Tief-Bunker Klafeld, Bunker Fludersbach für Feuerwehr, Tiefbunker Hindenburgstraße, Bunker Burgstraße/Bickener Wende (2), Bunker Siegbergstraße, Bunker Sieghütter Hauptweg, Bunker Höhstraße, Bunker Hainerweg, Bunker Kaisergarten, Bunker Eintracht, Bunker Saarbrücker Straße, Bunker Flurschule Weidenau (Bismarckplatz) sowie Bunker Friedrich-Flender-Platz Weidenau.
Die große Gefahr eines Luftangriffes auf die Oberstadt und damit auf die Zivilbevölkerung ist daran zu erkennen, dass dort alleine fünf große Bunker gebaut wurden. Der Schutz des Stadtkerns Siegen hatte Vorrang was aus einem Brief des Amtsbürgermeisters Hirschfeld von Weidenau vom 09.12.1943 zu entnehmen ist, indem vorgerechnet wird, dass in Siegen 30% der Bevölkerung, in Weidenau 11% und in Klafeld für unter 4% der Bevölkerung Schutzraum vorhanden sei.
Doch was passierte nach dem Krieg mit den Bunkern?
Die englischen Besatzer sprachen sich für eine Sprengung der Bunker aus, was zu ihrem Entmilitarisierungsplan für die Stadt Siegen gehörte. Dass dies jedoch nicht ohne weitere Schäden an den noch wenigen intakten Wohnhäusern in der direkten Umgebung der Bunker geschehen konnte war klar. Die Stadt Siegen stellte sich gegen dieses Vorhaben und schlug ihrerseits vor, die Bunker bewohnbar zu machen, indem Fenster in die Bunker gesprengt werden sollten. Dies erscheint logisch, denn es mangelte an Wohnraum. Jedoch scheiterten entsprechende Versuche immer wieder an der Besatzungsmacht, die mit der Sprengung der Gesamtanlagen drohte um Siegen endgültig zu entmilitarisieren. Ab 1951 wurde der Plan zur Entmilitarisierung schließlich aufgegeben, wie auch der Plan die Bunker als Wohnbauten nützlich zu machen, da dieser als zu problematisch eingestuft wurde; man bedenke allein den Aufwand Fenster in die Außenwände zu sprengen.
Werden die Bunker heutzutage noch genutzt?
Nun, die Bunker in Siegen werden auf verschiedene Weise genutzt: Graffittikünstler nutzen sie, um sich mit ihrer Kunst auszudrücken. So wurde zum Beispiel auf den Bunker Burgstraße im Rahmen eines Schulprojekts ein Graffiti gemalt. Aber auch illegale Graffitis sind auf die Bunker in Siegen verteilt. Eine andere Weise der Nutzung zeigt das Jung-Stilling Krankenhaus: Dieses nutzt den Bunker am Kaisergarten als Archiv für seine Unterlagen. Wieder andere Bunker können aus privaten oder aber auch zu gewerblichen Zwecken gemietet werden. So bieten sich zum Beispiel Bunker als ideale Proberäume für Musikbands an. Ab und an werden die ansonsten verlassenen Bunker auch für besondere Zwecke hergerichtet. Im März 2008 fand so im Hochbunker in der Höhstraße eine Ausstellung der Evangelischen Nikolai – Kirchengemeinde und der Kindertagesstätte Hinter dem Wäldchen zur Auferstehungsgeschichte Jesu statt. Die Besucher wurden durch acht verschiedene Räumlichkeiten des Bunkers geführt, wobei sie die Ostergeschichte nicht nur sehen, sondern auch erleben konnten, indem sie z.B. im ersten Raum über Kleider und Palmwedel gehen, um die Ankunft in Jerusalem nachzuempfinden.