von Lea Johanna Kirsch
Unscheinbar liegt der Friedhof in der Blücherstraße am Wellersberg zwischen den Wohnhäusern versteckt. Vor etwa 140 Jahren wurde er für die damalige Gemeinde Buschgotthardtshütten errichtet. Jost Schleifenbaum – ein Erbe des dort beerdigten Adolf Schleifenbaum – berichtet im Interview, dass dort die Bewohner*innen des Wellersberges, der ein Teil der Gemeinde Buschgotthardtshütten war, beerdigt werden sollten. Neben einigen prachtvollen Familienerbbegräbnisstätten zeichnet sich der Friedhof durch Kindergräber aus, die dort leider zahlreich zu finden sind.
Der Friedhof ist ein einzigartiges Zeugnis der Geschichte der Menschen aus Buschgotthardtshütten. Das erste Begräbnis fand hier vermutlich im Jahre 1885 statt. Im Interview erzählt Jost Schleifenbaum über die Geschichte des Friedhofs, die Familiengrabstätte Adolf Schleifenbaum und über die familiäre Zugehörigkeit zu diesem Ort.
Wie und wann kam der Friedhof in den Besitz der Familie?
Wie gesagt, er war nicht im Besitz der Familie in dem Sinne, sondern im Besitz des Hauberges. Dieser hat den Friedhof der Gemeinde zur Verfügung gestellt, um für den Bereich Wellersberg auch eine Begräbnisstätte zu haben, sodass dort die Bewohner des Wellersbergs der Gemeinde Buschgotthardtshütten begraben werden konnten.
Deswegen war das ein allgemeiner Friedhof, der im Besitz des Haubergs für hundert Jahre zur Nutzung durch die Gemeinde war. Die hundert Jahre sind natürlich überzogen worden. Einen Friedhof kann man und will man ja dann auch nicht wegmachen.
Das war dann 1800…?
Ich meine, 1888 ist dieser Vertrag geschlossen worden. Da wurde das juristisch in trockene Tücher gebracht. Wann die Details davor waren, das weiß ich nicht, aber das habe ich auch nur über das Denkmalamt erfahren.
Da sind sicher die Dokumente auch nicht mehr so eindeutig, oder?
Ich würde mal sagen: nicht so vollständig. Es sammelt sich bei einer Haubergsgenossenschaft jede Menge Wust an, und wenn sie jetzt über hundert Jahre alle Sachen griffbereit haben wollen, müsste man ein bisschen anbauen, denke ich.
Deswegen haben wir jetzt den ursprünglichen Vertrag nicht. Den hatte uns damals die Stadt Siegen wieder zurückgegeben, um eine Klärung hinzukriegen, als das mit dem Denkmalschutz anfing.
Das war 2013?
Das zog sich ja hin. Die Stadt Siegen entschied, den Friedhof unter Denkmalschutz zu stellen. Denkmalschutz bedeutet ja, dass der Eigentümer der Fläche verantwortlich ist für den Erhalt mit allem möglichen Rauf und Runter. Als Waldgenossenschaft haben wir dann gesagt, dass wir das gar nicht darstellen können. Wir können den Waldgenossen jetzt nicht zumuten, für einen letztendlich durch die Stadt Siegen als Rechtsnachfolger der Gemeinde Buschgotthardtshütten installierten Friedhof aufzukommen und die ganzen Kosten zu tragen.
Die Haubergsgenossenschaft hat die Fläche nur zur Verfügung gestellt. Das war eben das zu klärende Thema, weil die Erhaltung ausschließlich an das Eigentum gebunden ist. Dementsprechend haben wir versucht, eine Lösung zu finden. Wir bekamen von der Stadt Siegen einen Brief, in dem drinstand, wie es gemacht werden könnte. Daraufhin sind wir mit einem Beamten der Stadt Siegen zum Notar gegangen und haben das beurkunden lassen, sodass das eingestielt wurde.
Die Beurkundung, die mit dem städtischen Beamten stattfand, musste vom Bürgermeister noch ratifiziert werden. Er hat das liegen lassen, weil ihm irgendwas dabei nicht passte. Bis wir dann irgendwann gefragt haben „Was ist denn jetzt eigentlich los? Wie geht es denn weiter?“ Die vereinbarten Vertragsdetails wurden nun in Frage gestellt, obwohl diese vorher nochmal verhandelt wurden und von der Stadt ohne unser Zutun so angeboten worden sind. Da waren wir schon ziemlich angefressen über dieses Vorgehen. Nach langem hin und her im Gespräch mit Steffen Mues haben wir zum Glück noch eine Lösung gefunden. Es war ein langer Weg, der uns auch wieder Nerven gekostet hat.
Verständlich. Also könnte man zusammenfassen, dass Sie den Friedhof dann als Genossenschaft aufgegeben haben wegen des Denkmalschutzes?
Im Prinzip ja.
Okay, das wäre nämlich auch noch eine Frage gewesen, warum der Friedhof aufgegeben wurde. Das haben sie jetzt schon beantwortet oder gibt es da sonst noch was zu sagen?
Mein Großvater hatte so einen familiären Spleen. „Wo mein Vater liegt, das muss mir auch gehören.“ Diese Parzelle oben war vorübergehend in unserem Familienbesitz, aber die haben wir mit abgegeben an die Stadt Siegen. Wir haben den Friedhof also immer als Eins gesehen. Deswegen war das Thema natürlich, dass dieser nur gesamt übergehen kann, nicht in Stückchen.
Wahrscheinlich ist es auch einfacher, das dann als Ganzes abzugeben, anstatt dass man noch irgendwelche Sonderrechte da hat, oder?
Es sind natürlich viele Themen, die diesbezüglich noch zu bedenken sind. Dort stehen ja richtig dicke Eichen rings über den Friedhof verteilt – ein schöner Bestand –, aber von denen geht natürlich auch eine gewisse Gefahr aus, die zu minimieren ist.
Wie pflegt man die da oben mitten im Wald? Das wird schon recht aufwendig. Wie versichert man die? Das ist auch eine Kostenfrage. Was passiert, wenn dort mal ein Ast runterkommt? Müssen wir die versichern? Das ist natürlich auch ein Riesenaufwand, der letztendlich noch mit dranhängt. Da muss man auch gucken, wie sowas dann geregelt wird.
Das Wurzelwerk der Bäume haben ja auch schon einige Gräber zerstört.
Man weiß ja nicht, wann so ein Stein umfällt. Das ist natürlich auch zu bedenken. Es gibt oben in der Ecke auch Kindergräber, die natürlich niedrig sind.
Die sind auf der ganzen linken Seite der Fläche.
Ich meine, nur oben in der Ecke, weil dort auch Erwachsene begraben sind.
Auf jeden Fall viele.
Ja, die musste man leider dort begraben. Kindersterblichkeit war zu der Zeit natürlich höher. Deswegen gab es viele Beweggründe zu sagen, einer Genossenschaft, die eigentlich gar nichts mit der „Installation“ des Friedhofs zu tun hatte, ist der Denkmalschutz nicht zuzumuten.
Das ist wohl wahr. Wissen Sie, ob es besondere Bestattungsrechte gab für Ihre Familie? Also in der kurzen Zeit, als sie den Friedhof besessen haben?
Normal war das gemeindemäßige Bestattungsrecht. Wie gesagt, das war ja ein Gemeindefriedhof und dementsprechend war geordnet, wer aus der Gemeinde dahin kam. Da habe ich keine Details zu. Ich weiß nur, dass meine Eltern noch dort begraben werden durften, hieß es immer. Meine Tante ist zuletzt dort begraben worden. Wenn man die Treppe hoch geht, geht man ganz oben direkt auf diese Grabstelle zu. Da liegen mein Onkel und meine Tante – die Schwester meines Vaters –, die die letzte Beerdigung dort oben war. Sie ist 2015 gestorben. Da ist sie neben ihren Mann gekommen, der 1978 gestorben ist.
Also das war die letzte Beerdigung aus ihrer Familie dort?
Genau, nicht nur aus unserer Familie. Das war generell die letzte Beerdigung auf dem Friedhof meines Wissens nach.
Soweit ich weiß, war das letzte Begräbnis dort 1937. Ausgenommen sind hier die Familiengräber.
Mein Großvater ist 1991 begraben worden. Meine Großmutter 1977. Die sind noch bei uns in der Grabstätte bestattet.
Also in den Erbbegräbnissen wurden weiterhin Menschen beerdigt. Da bestehen auch noch andere Rechte oder bestanden andere Rechte. So stand es zumindest auch bei der Denkmalbehörde, dass das letzte Begräbnis 1937 war, ausgenommen die Familiengräber.
Das kann ich nicht bestätigen. Ich kenne den eigentlich nur als ruhenden Friedhof, und wenn dort noch jemand beerdigt wurde, dann waren das meine Großmutter und mein Großvater, mein Onkel und meine Tante.
Das stimmt auch mit meiner Info überein. Haben Sie vielleicht persönliche Erinnerungen oder Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Friedhof? Sie waren ja vermutlich bei der Beerdigung dabei? Können Sie da irgendwas im Zusammenhang mit der Beerdigung erzählen?
Bei den vier Beerdigungen war ich dabei. Spezielle Erinnerungen an den Friedhof habe ich nicht. Meine Mutter wollte dort nicht begraben werden, weil der Friedhof eine Zeit lang mit einer Kette immer abgeschlossen war. Da hat meine Mutter gesagt „Wenn ich begraben werde, soll mich auch jemand besuchen können, nicht dass ich da hinter Schloss und Riegel bin.“ Deswegen sind meine Eltern auch auf dem Hermelsbacher Friedhof beerdigt worden.
Mein Vater ist auch 2015 gestorben. In dem Jahr sind als erstes die ältere Schwester, dann die jüngere Schwester meines Vaters und zuletzt mein Vater verstorben. Das waren alles Enkelkinder von ihm [Adolf Schleifenbaum].
Meine älteste Tante ist dort begraben, und mein Vater ließ es sich trotz gesundheitlich schwerer Beeinträchtigung nicht nehmen, bis oben vor das Grab hoch zu dappeln. Ich habe für ihn einen Sitzstock mitgenommen, sodass er sich auch mal hinsetzen konnte. Aber das ist jetzt nichts Dramatisches an Erkenntnissen. Sonst könnte ich nichts als Erinnerung dazu beitragen.
Das muss ja gar nicht sein. Es ist eine sehr offene Frage. Da kann vieles drunter fallen. Dann wäre es eigentlich nur noch eine Frage, die ich gerne stellen würde: Was ist in Ihren Augen das Besondere an dem Friedhof?
Ich finde schon, dass er ein tolles Flair hat. Ein Friedhof strahlt natürlich immer was aus. Wir gehen auch ab und an mal dahin und gucken. Wenn man dann so alte Namen da oben findet, kommt natürlich wieder Geschichte hoch von den Leuten, über die meine Eltern und meine Tante sich unterhalten haben.
Ich finde, es ist einfach eine kuschelige und gemütliche Ecke von dem Waldbild drumherum und auch von dieser Ausstrahlung der alten verwaschenen Steine, wo man teilweise gar nicht mehr lesen kann, was darauf steht. Das ist für mich schon etwas Besonderes. Der Friedhof wurde schon vielfach als „Judenfriedhof“ oder „Privatfriedhof“ oder sonst irgendwas bezeichnet. Genau das ist er nicht und soll er nicht sein. Er soll wirklich ein offener Friedhof der Gemeinde sein. Das Schöne ist auch, dass man da gemeinsam „landet“, egal wo man herkommt. Da ist eben gegeben, dass man, wenn man aus der Region stammt, dort beerdigt worden ist und damit auch nah an dem Lebensumfeld liegt - und das finde ich einfach klasse.
Das war auf jeden Fall eine schöne Antwort. Das wars schon von meiner Seite. Vielen Dank!!
(2021)
Quellenverzeichnis
Denkmalbescheid der Stadt Siegen über die Eintragung in die Denkmalliste (Nr. 221) vom 19.09.2013, zur Verfügung gestellt durch die Untere Denkmalbehörde.
Interview mit Herrn Jost Schleifenbaum, durchgeführt am 05.07.2021, verschriftlicht durch Lea Kirsch.
Fotos angefertigt von Lea Kirsch.