Orte und Zeugnisse der Hexenverbrennung in Menden um 1630
von Sina Schlücking
Der deutsche Jesuit und berühmte Kritiker der Hexenprozesse Friedrich Spee stellte bereits 1631, noch vor dem Ende und dem Verbot von Hexenverfolgungen, die wahrheitsgemäße These auf, dass „Deutschland, so vieler Hexen Mutter“ sei. Deutschland gilt als trauriger Spitzenreiter. Spitzenreiter in Bezug auf die Opferzahlen der Menschen, die im Laufe der Jahrhunderte der Hexenverfolgung, ihr Leben lassen mussten. Die Zahlen liegen in dem Gebiet, des heutigen Deutschlands prozentual höher als in anderen Ländern, in denen Hexen verfolgt wurden (vgl. Levack: Hexenjagd, S. 34-35.). Dabei lässt sich diese Aussage noch weitere differenzieren gerade das Sauerland und der Kurkölnische Raum gelten innerhalb Deutschlands noch als besondere Brennpunkte der Verfolgungen (vgl. Rummel; Voltmer: Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, S. 77.). Betroffen davon waren entgegen der geläufigen Vorstellungen sowohl Frauen, Männer als auch Kinder. Dabei kann keine genaue Opferzahl angegeben werden, da die Quellen oft unvollständig und ideologisch verfälscht sind, viele der Angeklagten bereits bei der exzessiven Folter ums Leben kamen und demnach keinen Eingang in „offizielle“ Statistiken fanden und auch Lynchjustiz eine nicht marginale Rolle spielte (vgl. Rummel; Voltmer: Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, S. 74 ff.).
Auch die Stadt Menden im Sauerland war massiv von den Kettenprozessen in einer der Hochphasen der Hexenverfolgungen um 1630/ 1631 betroffen. Unter Kettenprozessen versteht man in der Forschung Prozesse, die immer weitere Prozesse hervorbrachten, indem man die Angeklagten bei der Folter zwang, weitere Namen vermeintlicher Hexen zu nennen. Meist wurde mit einer kleinen Gruppe von Hexen begonnen, deren Prozesse zu weiteren Anklagen (Denunziationen) führten, die im Folgenden noch eingehender dargestellt werden. Nach offiziellen Angaben (auf der Geschichtssäule der Stadt, die im späteren Verlauf dieses Berichtes noch näher erläutert wird) wurden in Menden 61 Frauen und 22 Männer wegen Hexerei hingerichtet. Auch hierbei kann es sich, wie oben angedeutet, lediglich um eine offizielle Schätzung handeln. Die Dunkelziffer dürfte auch in Menden deutlich höher liegen. Auch die Gründe für die kollektive Panik vor Hexerei seitens des Volkes, der Obrigkeit und der Kirche können in der heutigen Forschung nicht eindeutig geklärt werden. Sowohl psychologische als auch soziale, kulturelle und geschichtliche Gründe könnten angeführt werden (vgl. Behringer: Hexen, S. 7.) In den Höhepunkten der Hexenverfolgung lassen sich Klimaverschlechterungen (die sogenannte Kleine Eiszeit), damit zusammenhängende Missernten und Teuerungskrisen sowie der dreißigjährige Krieg (1618-1648) nachweisen. Diese Gründe könnten eine ubitäre Endzeiterwartung in der Bevölkerung gefördert haben und somit dem Glauben an Hexen (vgl. Behringer: Hexen, S. 46 f.). Hinzukommt, dass das Leben der Menschen zu dieser Zeit von Magie durchdrungen war. Sie war alltäglich für die Menschen. So kontaktierten viele gerne sogenannte weiße Magie, also „gute“ Magie, wie Heiler oder Wahrsager. Deshalb war es für die Zeitgenossen nicht schwer, auch daran zu glauben, dass dunkle Magie möglich sei. (vgl. Behringer: Hexen, S. 26). Sicher bestimmen lassen sich die Gründe aber bis heute, wie oben genannt, nicht.
Erleichtert wurde die Durchführung der Prozesse in Menden durch eine besondere Rechtsordnung zu dem Verbrechen der Hexerei des Kurkölner Erzbischof, Ferdinand von Bayern (Rüberg: Giftmischer, Hexen und Werwölfe, S. 32.), die die Folter der Angeklagten Hexen erleichterte (vgl. Hegler: Werwolf aus Wickede, S. 13.). Dadurch lassen sich auch die prozentual höheren Prozess- und Hinrichtungszahlen in dem kurkölnischen Raum erklären.
Unumstritten aber ist, dass diese Menschen in Menden und auch in allen anderen Gebieten, in denen Hexen verfolgt wurden, einem schrecklichen, gesellschaftlichen Wahn zum Opfer fielen und keine Hexen waren. Sie wurden durch Folter zu solchen gemacht, indem sie unter Folter zu Geständnissen gezwungen wurden. Ein Punkt, der auch schon von den Zeitgenossen, wie dem oben genannten Friedrich Spee kritisiert wurde (vgl. Von Spee: Cautio Criminalis oder Rechtliche Bedenken wegen der Hexenprozesse, übersetzt von Joachim-Friedrich Ritter.). Auch in Menden zeugen Folterprotokolle von forcierten Geständnissen nach einem bestimmten Fragenkatalog (vgl. Hegler: Werwolf aus Wickede, S. 17.). Die Protokolle, die als Übersetzung von Dr. Giesbert Kanz im Stadtsarchiv einzusehen sind und deren Originale im Pfarrarchiv der St. Vincent Gemeinde gelagert werden, unterliegen einer auffälligen Eintönigkeit in Formulierung und Darstellung der Vergehen wie Apostasie, Idolatrie, dem durch Geschlechtsverkehr vollzogenen Teufelspakt und Aufzählung der gewirkten Schadenszauber. Auch der Hexen- oder Teufelstanz wird in jedem Protokoll angeführt, da dieser zu weiteren Denunziationen führte, auf Grund der Annahme, dass jede Hexe an solchen teilnahm und dort mit anderen Hexen zusammen kam. Diese Eintönigkeit ergibt sich daraus, dass die Folterer den Angeklagten wie oben genannt Suggestivfragen nach einem bestimmten Fragenkatalog stellten, um die gewünschten Antworten und Geständnisse zu erhalten. Ebenso fällt auf, dass die Angeklagten, die ihnen vorgeworfenen Verbrechen zunächst abstreiten, bis sie unter der „Tortura“ (Folter) einknickten und immer weitere Verbrechen gestanden. Zur gängigen Folterpraxis gegen Verurteile der Hexerei zählten das Aufziehen mit auf den Rücken gedrehten Armen, das einquetschen von Gliedmaßen zwischen Schrauben und das Auspeitschen. Diese Methoden werden auch in den Protokollen von Menden deutlich. Durch Herabspielen der Folter mit Ausdrücken wie: „Ist mit der Schraube ein wenig torquirt“ oder „Indem sie mit Ruten gestrichen“ (Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12, S. 89; S. 196.) wurde vermutlich eine rechtliche Absicherung erzielt, da im Gesetz, der „Carolina“ von 1532 von Karl V., das auch für die Stadt Menden galt, eigentlich nur eine moderate Folter erlaubt war, auch wenn die oben genannte besondere Ordnung des kurkölner Erzbischofs die Durchführung der Folter erleichterte. „Moderate Folter“ ist eine weitere der offene Formulierung, die in den verschiedensten Regionen, in denen es größere Prozesse gegen Hexen gab, unterschiedlich ausgelegt wurde. So wurde in manchen Gebieten massiver gefoltert als in anderen. Ebenso waren eigentlich auch die Suggestivfragen verboten, die in den Mendener Protokollen so offensichtlich werden, da viele der Aussagen sehr ähnlich sind. (vgl. Rummel; Voltmer: Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, S. 55.).
Entgegen der geläufigen Meinung fielen nicht nur Frauen, sondern auch Männer den Prozessen zum Opfer. Gerade die Folterprotokolle von Menden in den Jahren 1630/1631 weisen eine relative Ausgeglichenheit beider Geschlechter auf. Von den 47 Hexenprozessen dieser Jahre, die dieser Arbeit zugrunde liegen, waren 20 der Angeklagten männlich. So standen auch am Beginn der Hochphase um 1630 in Menden die Prozesse zweier Männer: Blesien Bill und Franz Hillmerich. Dieser Trend passt zu den Hinrichtungsanteilen in Westfalen. In dem gesamten Raum waren mindestens 18% der hingerichteten männlich, wobei bei 283 Verurteilten nicht ersichtlich ist, ob sie Frauen oder Männer waren (vgl. Hegler: Werwolf aus Wickede, S. 11; S. 14.).
Für die Aufarbeitung der Verfolgungen wird vielerorts wenig getan. Die Opfer gelten rechtlich gesehen noch immer als schuldig im Sinne der Anklage. Menden allerdings ist bemüht, die Prozesse aufzuarbeiten und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, auch wenn die Öffentlichkeit dies nicht unbedingt wahrnimmt. Am 14.12.2011 hat der Rat der Stadt einstimmig beschlossen, die in Menden verurteilten Opfer der Hexenprozesse zu rehabilitieren (vgl. Hegler: Werwolf aus Wickede, S. 34.). So zeugen auch einige Orte und Denkmäler bewusst von der Hexenverfolgung in Menden während andere allerdings meiner Meinung nach zweckentfremdet wurden und allenfalls als Überbleibsel dieser schrecklichen Zeit der Geschichte gelten können. Diese Orte und Zeugnisse sollen im Folgenden vorgestellt werden.
In dieser Ausarbeitung wird das Wort „Hexe“ genutzt. Dabei soll aber angemerkt werden, dass es sich natürlich keineswegs um reale Hexen handelte, sondern lediglich um ein, zu dieser Zeit geschaffenes, gesellschaftliches Konstrukt, das vielen Menschen das Leben kostete und für die Bevölkerung soziale Realität war.
Hexenteich
Vom Namen her wirkt der Hexenteich am ehesten als wiese er eine direkte Verbindung zu den Prozessen gegen vermeintliche Hexen auf. Etwas abgelegener, zwischen Bäumen und Wanderwegen, liegt der kleine Teich mit seinem gewichtigen Namen, der an einen grausamen Abschnitt der Stadtgeschichte erinnert. Am frühen Morgen steigt Nebel über dem Teich auf und lässt ihn tatsächlich wie einen Ort, den man leicht in eine mystische Sphäre setzen und an den man böse Kreaturen wie Hexen auffinden könnte, wirken.
Dabei wurden hier, entgegen der weit verbreiteten Meinung, keine Hexen verbrannt. „Lediglich“ die Wasserprobe wurde an dem Teich vermutlich durchgeführt. Diese diente der Bestimmung von Hexen wenn diese nicht geständig wurden und konnte so als ein weiterer Beweis herangezogen werden. Neben der Wasserprobe sind auch die Nadelprobe und die Tränenprobe bekannt. Auch das Ausbleiben von Schmerz konnte als Teufelspakt gewertet werden. Dabei waren diese Beobachtungen völlig unverhältnismäßig. Bei Prozessbeginn waren sie irrelevant, konnten diesen aber auch nicht aufhalten, sollte kein Teufelspakt auf diese Art nachweisbar sein. Bei der Wasserprobe wurden den Angeklagten die Gliedmaßen gefesselt und sie so in die Mitte des Teichs geworfen. Gingen sie unter, waren Zeitgenossen der Meinung, dass es sich um ein Zeichen der Unschuld handle. Trieben sie jedoch auf dem Wasser und gingen nicht unter, so gingen die Menschen davon aus, dass es ein Zeichen sei, dass die vermeintliche Hexe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben müsste, der ihr in dem Moment der Wasserprobe beiseite stand. Damit galten sie als schuldig im Sinne der Anklage (vgl. Schormann: Hexenprozesse in Deutschland, S. 47 f.).
Allerdings lässt sich auch die Durchführung der Wasserprobe am Hexenteich nicht durch die Folterprotokolle belegen. Dennoch müssen diese, trotz ihrer Verfälschung und Idealisierung durch die Ankläger, als Hauptquellen für die Verfolgung des Hexereiverbrechens in Menden angesehen werden.
(Hexenteich, Oesberner Weg, 58708 Menden)
Teufelsturm
Der Teufelsturm reiht sich eher unauffällig in das bestehende Stadtbild ein, in diesem Fall in eine Reihe von Häusern, die durch ihre Bauweise alle älter wirken. Und weiß man nicht um seine Geschichte, so würde auch der eigentlich offensichtliche Name kaum Anlass geben, dem Turm etwas derart Schreckliches zuzuschreiben. Die großen Fenster, die bei Renovierungen eingebaut wurden, und die helle Holztür wirken einladend. Der Name wird eher in den Kontext seiner heutigen Verwendung, statt in dem seiner Rolle in den Prozessen gegen Hexen, gesehen.
Der Turm wurde zwischen 1276 und 1344 als ein Teil der Mendener Stadtmauer erbaut. Neben dem Poenigeturm ist er der letzte noch erhaltene Wehrturm der ehemalige Stadtbefestigung. Auch unabhängig von den Hexenprozessen diente der Turm als Gefängnis des weltlichen Gerichts. Es handelt sich um ein Vorurteil, dass die Prozesse gegen Hexen nur durch die Kirche getragen wurden. Lange (bis ins 11. Jahrhundert) war es durch die Kirche verboten, an Hexen zu glauben, da es als Aberglaube galt (vgl. Behringer: Hexen, S. 32.). Zwar legitimierten, sowohl die katholische, als auch die evangelische Kirche den Glauben an und das Vorgehen gegen Hexen (vgl. Levack: Hexenjagd, S. 78.) und auch die Predigten vieler Geistlicher vermittelten den Hexenglauben an die einfachen Leute, die die „wissenschaftliche“ Literatur dieser Zeit über das Thema selbst kaum zu lesen vermochten. Doch die Prozesse und ihre Durchführung oblagen fast überall den weltlichen Gerichten, die nicht selten, wie auch in Menden, relativ autark agierten (vgl. Hegler: Werwolf aus Wickede, S. 10; vgl. Levack: Hexenjagd, S.89-94.). In nahezu allen Städten monopolisierten die Gerichte zunehmend die Streitschlichtung und Verfolgung von Verbrechen. Städte als autarke Gebilde gingen dem selbstständig nach. Es gab Gerichte, Richter und Gerichtsdiener (Scheffen), die von der Kirche und oft auch von der Obrigkeit unabhängig waren. Auch die Obrigkeit war nicht immer der Antrieb für die Hexenverfolgungen. Viele der Verfolgungswellen gingen von „unten“ aus. Die Bevölkerung forderte die Obrigkeit auf, den Vorwürfe und Gerüchte nachzugehen. Oft gab die Obrigkeit diesem Druck nach und es kam zu Verfolgungen und Kettenprozessen (vgl. Schormann: Hexenprozesse in Deutschland, S. 57.).
Während der Hexenprozesse, als in dem Turm fast ausschließlich Angeklagte des Hexereiverbrechens gefangen gehalten wurden, erhielt er seinen heutigen Namen: Duivelsturm, also Teufelsturm.
Auch die oben genannten Protokolle, besonders der ersten beiden Verurteilten dieser Welle, Blesien Bill und Franz Hellmich, beschreiben, dass sie in das Gefängnis im Turm der Stadtmauer eingesperrt und dort mit Ketten an die Wand gefesselt wurden (vgl. Hegler: Werwolf aus Wickede, S. 14.). Allerdings lässt sich nicht mit Klarheit sagen, dass es sich hierbei um den Teufelsturm handelte. Es wäre auch denkbar, dass beide Männer und alle auf sie folgenden Verurteilten, in dem anderen Turm, dem Poenigeturm, festgehalten wurden.
Heute ist der Turm in seiner Verwendung zweckentfremdet. Es findet sich weder ein Gefängnis in ihm, noch ein Ort der Erinnerung oder ein Museum. Im Jahr 1978 erwarb die Mendener Karnevalsgesellschaft Kornblumenblau den Turm und sanierte ihn, wodurch der Turm auch zu seinen hellen, großen Fenstern kam. Seitdem befindet sich die Ausstellung des Westfälischen Karnevalsmuseums in dem ehemaligen Gefängnis für vermeintliche Hexen.
(Teufelsturm, An der Stadtmauer 49, 58706 Menden)
Poenigeturm
So wie der Teufelsturm wurde auch der Poenigeturm zwischen 1271 und 1344 erbaut und hatte die Aufgabe eines Wehrturms in der Stadtbefestigung Mendens inne. Auch seine Rolle in den Hexenverfolgungen gleicht der des Teufelsturmes. Er diente der Unterbringung der angeklagten Hexen und als Ort der Folter. Anfang der 80er Jahre wurde der Turm zum Baudenkmal erklärt, weshalb ihm sein äußeres Erscheinungsbild weitestgehend erhalten blieb. Vom Material her ist der Turm der selbe wie der Teufelsturm, doch die schmalen und sehr wenig vorhandenen Fenster zeigen, dass der Turm von außen kaum renoviert wurde, während dem Teufelsturm große Fenster eingebaut wurden.
Lokalisiert ist der Turm in einer gewissen räumlichen Nähe zum Rathaus der Stadt an der Turmstraße. Es lässt sich also vermuten, dass der Turm der Straße ihren Namen gegeben hat. Dabei steht er im Vergleich zum eben beschriebenen Teufelsturm, der heute unauffällig in eine Reihe von Häusern integriert ist, sehr viel offener und separater. Lediglich fast angrenzend befindet sich ein Restaurant mit dem Namen „Am Turm“. Somit zeigt sich, dass der Turm sowohl in der Infrastruktur, also im Straßennamen, wie auch in der Gesellschaft, durch ein Restaurant, bekannter ist. Allerdings bedeutet dies im Rückschluss leider nicht, dass auch die Rolle des Turmes in der Hexenverfolgung bekannt ist.
Eine neben der Tür angebrachte Informationstafel gibt leider keinen Aufschluss über die Verbindung des Turmes mit den Hexenverfolgungen, sondern lediglich über seine Rolle in der Stadtbefestigung.
(Poenigeturm, Bahnhofstraße 18, 58706 Menden)
Brandplatz
(Nach Dr. Giesbert Kanz vermuteter Brandplatz; Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12, Karte)
Ab dem Jahr 1929 arbeitete Dr. Giesbert Kanz die Folterprotokolle der Hexenprozesse, die für die Öffentlichkeit nicht einsehbar in dem Archiv der St. Vincent Gemeinde aufbewahrt werden, auf. Er transkribierte und übersetzte sie aus dem Lateinischen ins Deutsche. Dabei scheint er sich auf Lokalitäten spezialisiert zu haben, denn viele der von den Angeklagten genannten Hexentanzplätze sind in seinen Aufzeichnungen farblich markiert. Außerdem arbeitete er einen anzunehmenden Brandplatz heraus und skizzierte diesen. Dabei handelt es sich um den Ort „Auf´m Werth“, direkt an der Hönne liegend. Der Fluss ist blau markiert und der Wald grün. Ein rot unterlegter Streifen scheint der Ort gewesen zu sein, an dem das Holz für die Feuer gerodet wurde, denn das Gebiet ist zu steil, als dass dort Verbrennungen vorgenommen worden sein konnten. Ironischerweise, so berichtete der leitende Archivar des Stadtarchives, werden Teile dieses Gebietes, an dem vor etwas weniger als 400 Jahren noch aktiv Hexen verbrannt wurden, heute ab und an von der Hönne überschwemmt.
Sicher kann nicht gesagt werden, dass „Auf´m Werth“ tatsächlich der Brandplatz war, doch die Vermutungen scheinen plausibel, da es sich auch um ein außerhalb der ehemaligen Stadt gelegenes Gebiet handelt, das trotzdem eine gewisse räumliche Nähe bot, um die Teilnahme der Öffentlichkeit an den Verbrennungen zu ermöglichen. Diese Teilnahem war erwünscht, wenn nicht sogar erzwungen. Hinrichtungen dienten in der Frühen Neuzeit auch der Abschreckung und der Inszenierung von Macht, um die Schwächen der damaligen Strafverfolgung zu kompensieren und die Fähigkeit der Obrigkeit, den Frieden zu wahren und die Menschen zu schützen, zu demonstrieren (vgl. Rummel; Voltmer: Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, S. 52.). Hier sei hinzugefügt, dass in Menden die meisten Verurteilten zunächst mit dem Schwert hingerichtet wurden. Dies ist einem Todesurteil zu entnehmen, in dem es heißt:
„Jedoch wird solche Sententia auf ihrer Churfl. Durchlaucht zu Cöln unseres allergnadigsten Herrn angeborene Miltlichkeit dahin, daß vorgenannte Beklagte erst mit dem Schwert vom Leben zum Thodt hingerichtet werden sollen und dem negst dere Corpora zu incineriren sein.“ (Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12, S. 110.).
Demnach wird es als eine Gnade angesehen, dass die Hexen aus Milde zunächst mit dem Schwert geköpft werden sollten und anschließend erst verbrannt („incineriren“) wurden. In den meisten Fällen wurden nur diejenigen bei lebendigen Leib verbrannt, die als besonders „halsstarrig“ galten, also während der Folter ihre Verbrechen der Hexerei nicht gestanden hatten (vgl. Rummel; Voltmer: Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, S. 51) Die anschließende Verbrennung des geköpften Leichnamens war notwendig, da die Menschen damals davon ausgingen, dass man so auch den Leichnam davon abhalten konnte, noch mehr Schlimmes über sie zu bringen und den Teufel daran zu hindern, sich der Gebeine habhaft zu machen (vgl. Levack: Hexenjagd, S. 94 f.).
Auf heutigen Karten ist nachvollziehbar, dass die Strukturen ähnlich sind, sodass dieser Ort auf den modernen Karten lokalisiert werden kann. Heute findet sich auf Teilen des Gebiets ein Baumarkt.
Die Karte ist ebenso wie die transkribierten Protokolle im Stadtarchiv Menden einsehbar.
Genannte Tanzplätze
In vielen der Hexenprotokolle aus Menden werden von den Angeklagten sogenannte Hexen- oder Teufelstanzplätze genannt bzw. die Angabe solcher durch Folter forciert. Der Teufelstanz spielte für die Ideologie der Hexenverfolgung eine zentrale Rolle, denn erst die Annahme der Existenz jener Tänze, zu denen alle Hexen gehen würden, ermöglichte die Kettenprozesse in dem Ausmaß. Jede Hexe musste in der Lage sein, Namen anderer Hexen zu nennen, die sie auf den Tänzen gesehen habe. Dabei spricht die Forschung von dem „kumulatives Konzept der Hexerei“. Die genannten Komplizen_Innen konnten dann gefangen genommen und gefoltert werden, wodurch die Verfolger neue Namen erhielten (vgl. Schormann: Hexenprozesse in Deutschland, S. 18.).
Auch war die Nennung von Komplizen_Innen dahin gehend wichtig, sogar notwendig, da als Beweis der Straftat entweder die Aussagen zweier Augenzeugen oder eben das Geständnis des Angeklagten unabdingbar waren (nach römisch-kanonischem Beweisrecht). Hätten nun aber beliebige Zeugen ausgesagt, eine Hexe auf dem Hexensabbat gesehen zu haben, so hätten diese sich ebenso schuldig oder zumindest verdächtig gemacht. Sodass man sich hier mit Aussagen zurück hielt. Andere, bereits verurteilte Hexen allerdings, waren in den meisten Fällen schon dem Tode geweiht und waren so die Augenzeugen, die für einen Beweis der Straftat nötig waren (vgl. Levack: Hexenjagd, S. 81.).
Dass es sich hierbei um erzwungene Denunziationen handelt, wie bei den Geständnissen im Allgemeinen, die nicht ohne Folter oder zumindest der Androhung jener entstanden, liegt auf der Hand. Auch die Tatsache, dass dieses Konstrukt weitere Fragen aufwirft, die das Verständnis dieses Schreckens erschweren, ist offensichtlich. Wenn den Verfolgern die Plätze durch die Geständnisse bekannt waren, dann wäre es ein Leichtes gewesen, die Plätze, die in den Protokolle am häufigsten vorkommen, langfristig zu überwachen um so die vermeintlichen Hexen auf frischer Tat zu erwischen oder eben festzustellen, dass dort (oder im Allgemeinen) keine Tänze stattfanden.
Im Folgenden sollen einige der häufig genannten Plätze aufgeführt werden:
„Kortenrode“, „(Am) Hohengraben uf dem Kreuzweg“, „allhie zu Menden uf dem Kreuzweg“, „Uff dem Werde an dem Vogelbaum“, „Oesben Heide“, „Vor der Stadt an der Volgelworden“, „Unter der Vogelrode“, „Am Klevesberg“ und „An der Plattenheide“ (Nach Dr. Giesbert Kanz vermuteter Brandplatz; Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12.).
Bei der Plattenheide handelt es sich um einen Ortsteil Mendens, der auch heute noch den selben Namen trägt, um 1630 aber noch völlig unbewohnt war. Es handelt sich um ein großes Gebiet, das ungefähr 4 km von der Kirche und somit dem mittelalterlichen Stadtzentrum entfernt lag und daher als potentieller Ort eines Hexentanzes in Frage käme.
Des Weiteren fällt auf, dass einer der Orte „vor der Stadt“ liegt, also eine explizite Abgrenzung stattfindet und ein anderer ein Berg ist. Noch heute findet sich in Menden eine Straße mit dem Namen Klevesberg. Diese liegt ganz in der Nähe des von Dr. Giesbert Kanz vermuteten Brandplatzes.
Geschichtssäule
Relativ zentral auf dem Marktplatz in Menden vor der St. Vincent Kirche steht die Geschichtssäule zusammen mit dem Geschichtsbrunnen. Auf dieser finden sich Anmerkungen und Abbildungen zu, für die Geschichte der Stadt relevanten, Ereignissen. Außerdem kann die/ der Interessierte die Entwicklung des Namens der Stadt nachvollziehen.
Auf dieser Säule, die 1992 von dem Förderverein „Mendener Geschichtsbaum“ errichtet wurde, arbeitet die Stadt auch ihre Vergangenheit in Bezug auf die Hexenverbrennung auf. Somit zeigt sich, dass sie sich dieses Verbrechens bewusst sind und auch bereit sind, den Ereignissen ein Gewicht einzuräumen, indem sie auf dem begrenzten Platz der Säule Anerkennung finden.
Die Säule zeigt ungefähr mittig eine aufgespannte Frau neben einem Feuer. Darüber die Überschrift:
„Hexenbulle v. Rom“
„Hexenhammer v. Köln“. Bei dem Hexenhammer, dem Malleus Maleficarum, handelt es sich um ein Werk Heinrich Kramers, das die Hexenverbrennung massiv anstachelte, indem es systematisch die Verbrechen, die Anzeichen und den Umgang mit vermeintlichen Hexen darstellte. Dabei war der Hexenhammer extrem misogyn und stellte vermehrt Frauen, auf Grund ihrer angeblich „geistigen Schwäche“ und „leichteren Verführbarkeit“, in den Fokus der Hexenverfolgungen (Kramer: Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum, Herausgegeben von Behringer; Jerouschek; Tschacher). Die Hexenbulle von Rom, die im Dezember 1484 erlassen wurde, forderte die Obrigkeit auf, zwei ernannte Inquisitoren, unter anderem Heinrich Kramer, bei der Jagd nach vermeintlichen Hexen zu unterstützen. Es handelte sich also um eine Legitimierung des Glaubens an Hexen, der zuvor von der Kirche als Aberglauben verboten war, und ihrer Verfolgung.
Hinzu kommt auf der Geschichtssäule die Angabe der Daten: 1629-31. Die Hexenverfolgung erfolgte nicht kontinuierlich. Seit dem 15. Jahrhundert kam es an manchen Orten immer mal wieder zu Verfolgungen und Verbrennungen. Es lassen sich aber drei größere Wellen ausmachen, in denen regional übergreifend vermehrt gegen Hexen vorgegangen wurde, wobei sich der Höhepunkt definitiv in die 1620er Jahren datieren lässt. So auch in Menden (vgl. Hegler: Werwolf aus Wickede, S. 11.).
Auch die Anzahl der Opfer wird angegeben: „61 Frauen und 22 Männer“ allerdings sind diese Zahlen nach dem heutigen Stand der Forschung kaum repräsentativ auf Grund der oben angeführten Aspekte.
(Geschichtssäule, Kirchpl. 1, 58706 Menden)
Dorte- Hilleke Bücherei und das Schicksal der Dorte Hileke
Unweit der Säule auf dem Marktplatz befindet sich die Dorte-Hilleke Bücherei. Dabei handelt es sich um die Stadtbücherei Mendens. Auf den ersten Blick weist das pompöse Gebäude keinen Zusammenhang mit der Hexenverbrennung auf, doch seinen Namen erhielt die Bücherei von der bekanntesten Hexe Mendens.
(Dorte- Hilleke Bücherei, Hauptstraße 48, 58706 Menden)
Der Grund für die öffentliche Aufmerksamkeit Dorte Hillekes (in den Quellen auch: Dorothen Hilliken; Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12, S. 88-89.) liegt darin begründet, dass sie auch unter der Folter nicht bereit gewesen war, ein Geständnis abzulegen oder weitere Hexen zu denunzieren. So habe sie den Kettenverfolgungen in Menden ein Ende bereitet.
Wie viel von dieser „Legende“ der Wahrheit entspricht, kann nicht vollkommen nachvollzogen werden, obwohl auch das Folterprotokoll von Hilleke in der Sammlung von Dr. Giesbert Kanz vorliegt. Dass sie nicht gestand erscheint historisch korrekt, ob durch ihre Standhaftigkeit die Prozesse tatsächlich ihr Ende fanden, kann nicht nachgewiesen werden.
Mit den Quellen der Hexenverfolgung muss vorsichtig umgegangen werden, da viel Ideologie einfließt und die meisten Protokolle im Nachhinein angepasst wurden, um rechtskräftig zu sein. Hin zu kommt, dass die Aussagen der Angeklagten immer im Zusammenhang mit Folter entstanden und auf einen vorgegebenen Fragenkatalog reagierten. Zudem kann nicht gesagt werden, ob die Akten wirklich vollständig vorliegen. Dies muss sowohl bei den Mendener Hexenprotokollen, wie auch allen anderen bei einer Analyse mitbedacht werden (vgl. Schormann: Hexenprozesse in Deutschland, S. 55f.).
Im Folgenden soll dennoch das Verhörprotokoll der Dorte Hilleke transkribiert werden, um anhand dieses Einzelschicksals das Muster solcher Verhöre vorzustellen. Denn, wie eingangs erwähnt, folgten diese einem vorgegebenen Schema und weisen besonders im Fall von Menden eine auffällige Gleichheit und ein wiederkehrendes Schema auf. Auch wenn dieses Protokoll die Besonderheit aufweist, dass die Angeklagte nicht gestanden hat, ermöglicht es es die Suggestivfragen und das Vorgehen bei der Folter nachzuvollziehen.
Die Protokolle sind nicht zusammenhängend. Sie werden auf Grund von chronologischer Anordnung durch andere Verhöre oder Todesurteile unterbrochen. Dennoch ist gut nachvollziehbar, welche Protokolle das Verhör von Hilleke beschreiben, da sie mit der Nummer 13 gekennzeichnet ist.
„Dorte Hilleke
Martis 4 Martei Ist Citatio realis contra Dorten Hilleke
derenirt cuius executio ministris demandata. Ministri
referunt Citationem esse factum und sagen dabei, dass sie gesagt,
als sie dieselben gefangen genommen, das Kreuz möchte ihr [von] Gott uferlegt
sein, das wollte sie mit Geduld tragen; sie wollte die Wahrheit
sagen, Keimandt zu nahe, damit sie ihre Seligkeit nicht zu nahe thete.
Eodem die sein Ihr ihre Denuntiationes foma und Iudiere vorgehalten,
daruf sie geantwortet wie folgt:
Ad. 1 Sagt sie wisse nicht, dass sie die Leute für eine Zaubersche hielten.
Ad. 2 „ ihre Großmoder sei gerichtet.
Ad. 3 „ ihre Moder sei an dem Ort gewesen und da sei sie nie gewesen
Ad.4 Habe mit Keinmandt Feindschaft gehabt.
Ad. Denuntiationes sagt, dass sie dar nits wisse
Postmodum confrontata mit Gerdt Schick und der Rikenmensche
negavit und sagt, sie sei daran unschuldig
Demnach diese sowohl mit guten als harten Worten ermahnt,
als nichts hatte helfen wollen, auch keine defensiones gehabt,
als ist in praesentia D. Commissarus von h. Richter und Scheffen prima Tortura erkannt.
Ist mit der Schraube ein wenig torquirt. Als man aber
gesehen, dass sie keine Schmerzen hat befunden, welches kaum jemals
gewesen, also hat man vor dieses mal mit weiterem Torquieren
eingehalten, cum expressa tamen protestationes continuandi camdem ab proximum.
Rotger Tortuner referirt (Eodem die, ie) 13. Maerz: Dorte Hilleke habe gesagt,
Sie wolle wohl sagen, wann sie schon bekennte, wer es ihr gelehrt hatte,
so konnte sie darnach nicht mehr sagen.
1631 Am 10. Maerz Est continuata tortura mit Dorten Hilleken
Peracto Exorcismo p. D. Pastorem
hat nicht bekennen wollen; nihil Curans torturam
illudendo nis. Fuit potuit ridere quam flere neque
Sentire dolores obdormivit curam anqustias.
Sie spottete der Folter, die ihr nichts tat,
sie hat sich beherrscht, sie konnte lachen weinen, sie schien keinen Schmerz zu fühlen
sie schlief ein unter den klemmenden Schrauben der Folter.
Confrontationes mit der Dorothen Hilliken
Eodem die (14. März) Dorte Hilleke confrontata
mit der alten Kleinschmidtschen Quae ipsi in faciem dixit, dass sie dieselbe am
Klevesberg und am Hohengraben uf dem Teufelstanz gesehen habe.
Similiter confrontata mit Enneken der Kokeschen, welche
ihr in faciam gesaget, dass sie dieselbe am Teigelofen und Sonsten
gesehen uf dem Tanz
Similiter confrontata mit Peter Essenkemper welche
ihr es gleichfalls in faciam gesagt.
Veneris 20 Martei sei Doritehen Hilleken
Ihre einkommende Indicia vorgehalten.
Bekennt daruf, sie könne einen nennen, der es ihr gelehrt hätte,
dann können sie nit weiter sagen.
Haben wiederum keine Ermahnungen geholfen; auch uf die Nova Indicia keine Defensiones gehabt, als ist Secunda Tortura erkannt.
Ob sie schon heftig vor diesem mit Schrauben torquirt sey, hat man gleich
wohl kein Zeichen gespürt.
Obdormivit. Postmodum kursus obdormivit in tortura.
Deinde cum D. Commissarius saepius com obdormivisset alter voce
Vocavit, tamen non audivit.
Indem sie mit Ruten gestrichen, ist ihr der Hals steif geworden
und hat nit gesprochen.
Hat abermals nit bekennen wollen.“
(Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12, S. 88-89; S. 112; S. 166; S. 196)
Dorte Hilleke wurde laut der Protokolle am 4. März auf Verdacht verhaftet. Ihr Name fiel in dem Verhör von Gerdrut Michel: „Dorte Hilleke sei auch da gewesen“ (Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12, S. 22.), beschreibt diese im Zusammenhang mit einem Teufelstanz bei dem sie gewesen sei. Und da bereits Hillekes Großmutter als Hexe hingerichtet worden war, lag der Verdacht nahe, dass sie ebenfalls eine sei. Es kam nicht selten vor, dass in Familien Generationen von Frauen hingerichtet wurden, da man davon ausging, dass Hexen zunächst ihr Wissen an die eigenen Familienangehörigen weitergaben und da Frauen durch den Hexenhammer prätendiert für Hexerei und seine Verbrechen besonders anfällig waren (vgl. Behringer: Hexen, S. 72.).
In einem ihrer ersten Verhöre ohne „Tortura“ (Folter) gab sie laut der Protokolle zu verstehen: „Das Kreuz möge ihr von Gott uferlegt: das wolle sie mit Geduld tragen; sie wolle die Wahrheit sagen, keinmandt zu nahe, damit sie ihrer Seligkeit nicht zu nahe threte“ und beteuerte weiterhin ihre Unschuld. Dieses Verhalten wird zunächst in vielen der Protokolle aus Menden sichtbar. Die Angeklagten streiten die ihnen vorgeworfenen Verbrechen der Zauberei ab, sagen, dass ihnen nicht bewusst war, dass man sie für solche hielt und dass sie folgend auch nichts gestehen können. Allerdings zeigt sich in den meisten anderen Protokollen, dass die Angeklagten unter der „Tortura“ nach und nach alle ihnen vorgeworfenen Verbrechen gestehen und genau schildern, wie sie die Zauberei lernten oder wie sie zu den Teufelstänzen flogen und an diesen teilnahmen, womit wieder das Konzept des Kumulativen Verbrechens der Hexerei offensichtlich wird.
Daraufhin wird gegen Hilleke so wie in allen Fällen, in denen die Angeklagten nicht gestanden, die „prima Tortura“ anerkennt und sie wird mit Schraube (hier nicht nachweisbar ob Arm- oder Beinschrauben) gefoltert.
Die Protokolle geben an, dass sie angeblich keinen Schmerz verspürt hat. Mehre Aussagen geben Anlass zu dieser Unterstellung: „Spottete der Folter“; „Sie hat sich beherrscht“; „Sie schien keinen Schmerz zu fühlen“; „Sie schlief ein unter den klemmenden Schrauben der Folter“. Diese Darstellung passt zu einem der gesellschaftlich verbreiteten Bilder von Hexen, die angeblich durch die Macht des Teufels bei der Folter keinen Schmerz empfanden (vgl. Levack: Hexenjagd, S. 87.). Wahrscheinlicher erscheint aber, dass das vermeintliche Einschlafen eine Ohnmacht unter den Schmerzen war.
Schon bei der ersten Folter schien sie keine Schmerzen zu empfinden, weshalb man unter der Androhung, am nächsten Tag weiter zu machen, zunächst zu Foltern aufhörte („also hat man vor dieses mal mit weiterem Torquieren eingehalten, cum expressa tamen protestationes continuandi camdem ab proximum“). Dabei schwebt die deutliche Androhung mit, dass man sie weiter foltern würde. Womöglich wurde die Tortur unterbrochen, um die Frau, die unter Schmerzen nicht geständig war, zu brechen, in dem man ihr Angst vor weiteren Folterungen machte.
Am 13. März ist die nächste Folter nachweisbar und zeigt, dass es ein wichtiger Anliegen der „Ermittlungen“ war, die/ den Lehrer_In des Anklagten zu bestimmen. In anderen Protokollen wird ersichtlich, dass die Angeklagten spätestens bei der ersten Folter eine/ einen Lehrer_In angaben. Dies war nötig, da man so entweder weitere vermeintliche Hexen verhaften konnte oder einen Beweis darin sah, dass die Hexen eine/ einen Lehrer_In angaben. Darüberhinaus galt Hexerei ale eine erworbene Fähigkeit durch den Teufel, die man noch erlernen musste (vgl. Levack: Hexenjagd, S. 17.) Die Angaben zu dieser Folter sind sehr knapp, sodass weiterhin davon ausgegangen werden kann, dass Hilleke fortwährend ungeständig blieb, sonst wäre bei ihr ein detailliertes Geständnis im Protokoll vermerkt worden.
Auch am 10. März wurde sie gefoltert, das Verhört liegt chronologisch zwar vor dem Anderen vom 13. März, ist in der Sammlung aber erst später angeführt. Dies kann bei der Auswertung der Protokolle durch Dr. Giesbert Kanz geschehen sein oder bereits in den original Quellen so vorliegen.
Unabhängig davon gibt das Protokoll Aufschluss darüber, dass Hilleke vor ihrer nächsten Folter einem Exorzismus (durch Pastor Stracke) unterzogen wurde und sie auch in diesem Verhör nicht geständig wurde, da sie laut den Angaben auch in diesem Fall keine Schmerzen spürte (Dieser Teil liegt in dem Protokoll wie oben angegeben nur im lateinischen vor, behandelt aber sinngemäß das hier erklärte).
Der darauffolgende Teil stellt die Konfrontation Hillekes mit jenen dar, die sie denunziert haben. Dabei geben diese an, dass sie Dorte Hilleke an bestimmten Orten zum Teufelstanz gesehen hätten, was erneut die Relevanz der Hexentänze verdeutlicht. Unter den Orten finden sich auch die oben angeführten Orte „Klevesberge“ und „am Hohengraben“.
Auch auf Grund dieser neuen Indizien, die für die Durchführung der Folter unabdinglich waren, wird Dorte Hilleke weiter gefoltert, streitet aber auch weiterhin die ihr vorgeworfenen Vergehen ab.
Das Protokoll gibt an, dass sie schon vor dem neuen Verhör heftig mit Schrauben gefoltert wurde, also vermutlich körperlich in einem schlechten Zustand war und dennoch angeblich erneut keinen Schmerz verspürte.
Neben den Namen der Angeklagten finden sich in den Mendener Protokollen auch die Namen der Hauptagierenden in den Hexenprozessen: Herr Cristoff Osthaus, der der „Commissarius Inquisitionis des abscheulichen und verfluchten Zauberlasters“ war und dem somit die Führung der Prozesse oblag (Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12, S. 44). Unter ihm nahmen die Anzahl der Verfolgungen und die Intensität der Folter massiv zu. Ebenso stieg die Anzahl der Hinrichtungen. Etwas 87% der Angeklagten in Menden wurden auch tatsächlich hingerichtet, womit die Rate etwas höher liegt als in Westfalen allgemein (82%) (vgl. Hegler: Werwolf aus Wicked, S. 12-13.). Der Richter zu der Zeit war Richter Heinrich Schmidtmann (1628-1632). Des Weiteren findet sich der Name M. Jürgen, in einem Erlass zur Tötung einiger der Angeklagten, der vermutlich als Schafrichter agierte und die Verurteilten hinrichtete (Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12, S. 44).
Mit dem letzten Blatt endet das Protokoll von Dorte Hilleke. Es gibt keine Hinweise auf eine Freilassung oder auf eine Hinrichtung, sodass nur Vermutungen über ihr Schicksal angestellt werden können. Auf Grund der letzten Angaben im Protokoll kann die These aufgestellt werden, dass sie während der letzten Folter, in der sie zudem auch noch ausgepeitscht wurde, starb:
„Indem sie mit Ruten gestrichten, ist ihr der Hals steif geworden
Und hat nit gesprochen.
Hat abermals nit bekennen wollen.“
Unterstützt wird diese Vermutung dadurch, dass laut den durch Juristen aufgestellten Regen zur Folterung, die zwar immer weiter aufweichten und eine zunehmende Steigerung der Dauer, Heftigkeit und Wiederholbarkeit der Folter ermöglichten, die Folter nicht zum Tod des Angeklagten führen durfte. Somit hätte es gegen das Recht verstoßen, wäre Dorte Hilleke während der Folter verstorben. Dies könnte ein Grund sein, weshalb ihr Tod nicht explizit angeführt wird.
Die Stadt Menden erinnert sich ihrer Geschichte und ihrer Rolle in den Hexenprozessen. Die Rehabilitierung der Opfer, denn etwas anderes waren die als Hexen verurteilten Menschen nicht, im Jahr 2011 zeigt ihre Bemühungen. Auch weisen die Geschichtssäule und die nach einer bekannten Hexe benannten Bücherei darauf hin, dass Menden seiner Geschichte gedenkt. Leider werden die Zeugnisse, die noch von der Zeit um 1630 erhalten sind und die auch in den damaligen Prozessen eine Rolle spielten in diese Bemühungen nicht eingeschlossen. Beide Türme weisen leider kleinerlei Hinweise auf ihre Geschichten auf, sodass es auch trotz des offensichtlichen Namens des Teufelturms, in der Bevölkerung kaum bewusst sein dürfte, welche Rolle diese Türme in der Stadtgeschichte einst spielten.
Das aufgearbeitete Protokoll zeigt zwar lediglich ein Einzelschicksal, in diesem Fall der Dorte Hilleke, bei dem ein Individuum sehr wahrscheinlich ums Leben kam und dennoch kann davon ausgegangen werden, dass zu dieser Zeit viele Menschen ein sehr ähnliches, schreckliches Ende gefunden haben und zu Opfern einer grausamen Ideologie geworden sind.
Es erscheint richtig und notwendig, diese Opfer zu rehabilitieren und auf das Leiden, das sie durchlebten hinzuweisen!
(2021)
Literaturverzeichnis
Quellen:
Kramer, Heinrich: Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum. Kommentierte Neuübersetzung, Her ausgegeben von Behringer, Wolfang; Jerouschek, Günter; Tschacher, Werner, München 2000.
Stadtarchiv Menden, Findbuch zum Nachlass Dr. Gisbert Kranz, Magazin-Nr. 12.
Von Spee, Friedrich: Cautio Criminalis oder Rechtliche Bedenken wegen der Hexenprozesse, über setzt von Joachim-Friedrich Ritter, München 1982.
Literatur:
Behringer, Wolfgang: Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung, München 1998.
Hegler, Hartmut: Werwolf aus Wickede. Hexenprozesse gegen Blesien Billi aus Wimbern und Franz Hellmich aus Oesborn. Hexenverfolgung in Menden, Nordhausen 2012.
Levack, Brian P.: Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa, München 1999.
Rummel, Walter; Voltmer, Rita: Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, Darmstadt 2008.
Rüberg, Morten: Giftmischer, Hexen und Werwölfe. Dörfliche Lebenswelt und theologisches Hexe reikonstrukt in den Mendener Hexenprozessen 1628-1631, in: Der Märker, Jg. 67/68, 2019, S. 31-45.
Schormann, Gerhard: Hexenprozesse in Deutschland, Göttingen 1981.