von Guido Egli
Als der Plettenberger Bahnhof im Jahre 1904 eingeweiht wurde, war er die erste feste Struktur auf dem Gebiet der Stadt Plettenberg, welche an der Ruhr-Sieg-Strecke errichtet wurde. Die Strecke war bereits im Jahre 1861 in Betrieb genommen worden und hatte maßgeblich zur Industrialisierung des Lennetals beigetragen. In nahezu allen Städten, die an ihr lagen, entstanden Kleineisenunternehmen, die von der direkten Anbindung an das Ruhrgebiet und die Abbauregionen im Siegerland profitierten.
In diesem Zusammenhang entstand auch der Bahnhof der Stadt Plettenberg, um Reisenden einen Anlaufpunkt zu bieten.
Errichtet wurde er im englischen Tudorstil, der sich bei insgesamt drei Bahnhöfen, namentlich Grevenbrück, Kreuztal und Plettenberg, an der Ruhr-Sieg-Strecke finden lässt. Der Tudorstil ist ein Baustil der späten Gotik, der sich durch eine starke Ornamentik und Backsteinbautechnik auszeichnet. Zum Zeitpunkt der Einweihung bestand er aus einem Hauptgebäude mit einer Höhe von zweieinhalb Stockwerken und einem daran anschließenden Längsflügel, welcher um eine Etage kleiner ausfiel. Des Weiteren wurde ein Uhrentürmchen errichtet, das aber in den folgenden Jahren wieder abgerissen wurde.
Diente der Bahnhof in der Anfangszeit lediglich der Abfertigung von Gütern, die hier gelöscht und auf Fuhrwerke sowie in späteren Jahren auf die Waggons der Plettenberger Kleinbahn und heute auf Lkws verladen wurden und noch werden, so kamen bald die ersten arbeitsbedingten Pendlerbewegungen auf. In jenen frühen Tagen des 20. Jahrhunderts nutzen nur wenige, begüterte Personen die Möglichkeit, mit Hilfe der Eisenbahn zu verreisen. Sie war vielmehr ein Motor der wirtschaftlichen Entwicklung.
Dies änderte sich erst mit Beginn der oftmals als „golden“ bezeichneten zwanziger Jahre. Die Bevölkerung des Deutschen Reiches wurde wieder reise- und unternehmungsfreudiger, ein Trend, der sich auch in der Nutzung der Eisenbahn als Reisemittel niederschlug.
Auch in der Struktur sowie dem Umfeld des Plettenberger Bahnhofs wird diese Zeitenwende deutlich. Es wurde ein weiterer Längsflügel errichtet, um dem wachsenden Bedarf an Fahrgastinformationen und sonstigen Dienstleistungen Rechnung zu tragen. Zudem errichteten ein Blumen- und ein Tabakhändler einen gemeinsamen Verkaufspavillon auf dem Vorplatz des Stationsgebäudes, in welchem sie den Reisenden ihre Waren anboten. Doch nicht nur der Reiseverkehr stieg stetig weiter an. Auch die Menge der auf der Schiene durch die Stadt beförderten Güter, hauptsächlich Metallwaren, hatte sich seit der Einweihung des Bahnhofes bereits auf über vier Millionen Tonnen pro Jahr vervielfacht. Und er wuchs noch weiter an.
Hierdurch wurde eine weitere Modernisierung der Bahnhofsanlage unumgänglich, welche schließlich in Form der Errichtung eines Reiterstellwerks, also eines Stellwerksgebäudes, welches sich auf Stützen über den Gleisen befindet, im Jahre 1932 erfolgte. Dieses blieb über viele Jahre hinweg in Betrieb, bis es schließlich, zu Anfang des 21. Jahrhunderts, durch ein neu errichtetes Stellwerk abgelöst wurde. Im Jahre 2006 wurde das alte Reiterstellwerk, trotz vorheriger Feststellung seiner Denkmalwürdigkeit, von der Stadt Plettenberg abgerissen.
Doch der immer weitergehende wirtschaftliche Aufschwung der Stadt und der Region brachte dem Bahnhof und seiner Umgebung nicht immer nur positive Auswirkungen. Aufgrund seiner Bedeutung für die Plettenberger Kleineisenindustrie, welche während des Zweiten Weltkrieges als Zulieferer für die großen Rüstungsbetriebe des Ruhrgebietes arbeiteten, wurde der Bahnhof mehrfach das Ziel alliierter Bombenangriffe. Der folgenschwerste dieser Angriffe ereignete sich am 25. März 1945, als ein vollbesetzter Personenzug der Reichsbahn, welcher aufgrund des Luftalarms in der Stadt angehalten worden war, von einer Bombe getroffen wurde und 13 Personen dabei den Tod fanden. Über 60 weitere wurden dabei zum Teil schwer verletzt.
Trotz der schweren Schäden, die der Bahnhof bei diesem und den anderen Angriffen davontrug, konnte der Betrieb unmittelbar nach dem Ende des Krieges wieder aufgenommen werden. Wie schon in der Vorkriegszeit entwickelte sich der Bahnhof und die an ihn angrenzenden Verladeeinrichtungen erneut zu einem Hauptumschlagsplatz für die Erzeugnisse der Plettenberger Betriebe und einem Motor der wirtschaftlichen Entwicklung.