von Mareike Langenbach
Als die Nationalsozialisten 1933 in Deutschland „die Macht ergriffen“, blieb kaum ein Lebensbereich von ihrer Ideologie und den darauf basierenden Maßnahmen unberührt. So mussten sich auch Christen, bzw. die Kirchen, mit nationalsozialistischem Gedankengut, Aktionen und Beschlüssen konfrontiert sehen.
Unter dem Begriff „Kirchenkampf“ versteht man die Zeit der evangelischen Kirche während des Nationalsozialismus in Deutschland, was im engeren Sinne die Auseinandersetzung der Bekennenden Kirche und der Deutschen Christen bezeichnet. Ausgelöst wurde dieser Konflikt durch das von den Nationalsozialisten erlassene „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, in welchem der „Arierparagraph“ verankert war, der Menschen jüdischer Abstammung verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden. Weiter sollten getaufte Juden als „Nichtarier“ aus der Kirche ausgeschlossen werden. Als Reaktion darauf wurde im September 1933 in Berlin der Pfarrernotbund gegründet, der die Unvereinbarkeit des Arierparagraphen mit dem christlichen Glaubensbekenntnis erklärte, und mit einigen anderen Gruppen den Vorläufer der Bekennenden Kirche bildete. Diese wurde im Mai 1934 in Wuppertal – Barmen gegründet und berief sich von da an auf ihre „Barmer Theologische Erklärung“, in welcher der Totalitätsanspruch des Staates und die Vereinnahmung des Evangeliums für politische Zwecke zurückgewiesen wurden.
Die Deutschen Christen formierten sich bereits 1932 unter dem Namen „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ als Kirchenpartei und richteten sich an Grundsätzen der NSDAP aus, so wollten sie auch innerkirchlich den Arierparagraphen durchsetzen.
Die evangelischen Gemeinden mussten sich also mit den Veränderungen und Schwierigkeiten die der Nationalsozialismus mit sich brachte, auseinandersetzen.
Die evangelisch – reformierte Kirchengemeinde Oberfischbach bildete hier keine Ausnahme. Damals noch bestehend aus den Dörfern Heisberg, Oberschelden, Niederndorf, Bottenberg, Oberfischbach, Dirlenbach, Ober – und Niederheuslingen, war im Kirchspiel die Zustimmung für die nationalsozialistische Bewegung überdurchschnittlich hoch. Dementsprechend konnte die NSDAP bei den Wahlen im März 1933 entscheidende Mehrheiten in Oberfischbach und den umliegenden Ortschaften für sich verbuchen. Wie so oft wurden in Hitler und sein Regime das Vertrauen und die Hoffnung gesetzt, aus wirtschaftlicher Not und Arbeitslosigkeit, die auch in der Region weit verbreitet war, herauszuführen.
Was aus heutiger Sicht widersprüchlich erscheint, war für die Oberfischbacher Gemeinde charakteristisch: Nationalsozialismus und die Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche waren verbunden.
Auch viele Bekennende Christen waren NSDAP Wähler. Man versuchte Kirche und Staat zu trennen. Innerhalb der Kirche wurde allerdings klar gegen die Deutschen Christen, die gewissermaßen eine nationalsozialistische Sonderorganisation im Rahmen der „Gleichschaltung“ für die evangelische Kirche waren, Stellung bezogen und argumentiert.
Von politischem Widerstand kann jedoch keine Rede sein.
Das Kirchspiel stand geschlossen hinter der Bekennenden Kirche und wurde
am 22. März 1934 Bekennende Gemeinde, was nicht zuletzt auf den Einsatz Hermann Barth´s, Pastor in Oberfischbach von 1929 – 1940, zurückzuführen ist.
Anfangs selbst dem Nationalsozialismus zugeneigt, fand er schnell zur Bekennenden Kirche und engagierte sich sehr stark für diese. Vor allem durch seine Hausbesuche, Predigten und Aufklärungsabende, ist zu erklären, dass über 90 % der verteilten „Roten Karten“, welche die Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche bezeugten, von den Gemeindemitgliedern ausgefüllt wurden. Dieser Einsatz vorwiegend außerhalb der Kirche fußt auch darauf, dass aktuelle Sachverhalte und kritische Fragen im oder nach dem Gottesdienst, nicht zur Sprache kommen sollten. Als die Führung der Bekennende Kirche Abkündigungen verfasste, die nach der Predigt im Gottesdienst verlesen werden sollten, war der Tenor der Gemeinde: „Das wollen wir in der Kirche nicht hören!“. Im Gottesdienst sollten Glaubensinhalte verkündet werden und nicht das gegenwärtige politische Geschehen. Dafür wurden Informationsabende angesetzt, wo „alles klar heraus gesagt und deutlich und scharf Stellung genommen wurde.“ (Barth). Stellung bezogen wurde, wie schon erwähnt, auch gegen die Deutschen Christen. Eine Ortsgruppe der Deutschen Christen in Oberfischbach bestand wahrscheinlich nur im Herbst 1933. Die Deutschen Christen lehnte man als biblisch nicht begründet ab und Versuche dieser Gruppe im Kirchspiel Fuß zu fassen, wurden vom Presbyterium rigoros abgewehrt. So beantragte die DC Kreisleitung im Oktober 1933, einen Vortrag in der Oberfischbacher Kirche abhalten zu dürfen, was abgelehnt wurde, ebenso wie der Vorstoß der deutsch – christlichen Gemeindegruppe, einen verpflichtenden Jugendgottesdienst einzuführen.
Dies rief allerdings den Leiter der Deutschen Christen in Westfalen, Bruno Adler auf den Plan, der in einem Schreiben an das Presbyterium die Lehre seiner Bewegung vehement verteidigte und die Presbyter scharf kritisierte. Daraufhin verfasste der Kirchenvorstand einen Antwortbrief, der seine Position klar stellte und sich unter anderem gegen den Arierparagraphen (zumindest seine Gültigkeit in der Kirche), und die Einführung eines kirchlichen Führerprinzips (Bischofsgesetz) aussprach. Dieses Dokument soll unterzeichnet worden sein mit „Die Bischöfe von Oberfischbach“.
Auch anlässlich der Sportpalastkundgebung der DC am 29.11.1933 tat das Presbyterium seine Meinung kund und forderte in einem Beschluss den Rücktritt aller Kirchenführer der Deutschen Christen. Diese Aufforderung wurde sogar in der Reformierten Kirchenzeitung veröffentlicht.
Natürlich blieb der Einsatz für die Bekennende Kirche von der Gestapo nicht unbemerkt. Überhaupt war es gefährlich, in christlichen Gruppen Engagement zu zeigen. Presbyter und Vikare, aber vor allem Pastor Barth standen unter ständiger Beobachtung. Regelmäßig besuchten Gestapo-Beamte den Gottesdienst, Telefongespräche wurden abgehört und nicht selten waren Denunziationen Gründe für erschöpfende Verhöre. Mitte 1940 musste Barth seine Pfarrstelle aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Wilhelm Schümer, der schon seit 1939 als Hilfsprediger angestellt war, tat daraufhin bis 1941 Dienst als Pastor. Er scheute sich nicht in seinen Predigten offen die Missstände und Themen der Gegenwart, wie den Krieg oder das „Euthanasie“ – Programm der Nationalsozialisten anzusprechen und zu kritisieren. Seinem Vorgänger Barth, der Schümer schon als seinen Nachfolger gesehen hatte, gefiel dies weniger, so dass er schließlich Walter Kreck für das Pastorenamt vorschlug. Zwar spiegelte die Meinung Barths nicht unbedingt die der Gemeinde, bzw. des Presbyteriums wider, aber schon im August 1940 wurde Kreck, bis dato Leiter des Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Frankfurt, trotz Redeverbots im gesamten Reich, zum Pfarrer gewählt. Nach langen Auseinandersetzungen mit dem Konsistorium und der Gestapo wegen des Redeverbots, wurde Walter Kreck im Juni 1941 in sein Amt eingeführt.
Bis 1946 blieb er Pastor in Oberfischbach, allerdings wurde er zwischenzeitlich zum Kriegsdienst eingezogen. In dieser Zeit vertrat ihn Otto Adam, der später dann die Pfarrstelle übernahm.
Bezeichnend für das Kirchspiel Oberfischbach in der Zeit des Nationalsozialismus sind der Einsatz und die große Zustimmung für die Bekennende Kirche, aber auch das oftmals „Hand in Hand gehen“ von Nationalsozialismus und Christentum, was aus heutiger Perspektive kaum nachzuvollziehen ist.
Man war bemüht „braune“ Einflüsse aus theologischem Verständnis und christlicher Lehre herauszuhalten, im Leben außerhalb der Kirche aber war es durchaus möglich nationalsozialistische Ansichten zu teilen.
Nichtsdestotrotz gab es auch passiven Widerstand und offene Ablehnung des Nationalsozialismus in der Gemeinde, so beispielsweise durch das Nichteintreten in Parteiorganisationen aus Glaubensgründen.
(2008)
Literatur:
„Die Bischöfe von Oberfischbach“, Hrsg. Presbyterium der ev. – ref. Kirchengemeinde Oberfischbach; 2. ergänzte Auflage; Selbstverlag; 2001.
Schäfer, Jürgen/Schreiber, Matthias: Kompromiß und Gewissen, Der Weg des Pastors Wilhelm Schümer im Dritten Reich; Waltrop, 1994.