von Rebecca Schirmuly

                               

Die kleine Kapelle am Waldesrand
von der Höhe schaut sie ins weite Land.
Wacht über die Menschen in unserem Ort,
dem stillen Beter ist sie Hort.
Der Gottesmutter zu Ehren geweiht
sei sie den Menschen in unserer Zeit
Mahnmal für Frieden und Menschlichkeit.

Gedicht von Bernhard Schmidt aus Niederfischbach vom 05.06.1999.

 

Provisorischer Aufbau des Fachwerks im Garten von Erich Huhn

Provisorischer Aufbau des Fachwerks im Garten von Erich Huhn

Seit nunmehr 20 Jahren erfreut die kleine, idyllisch gelegene Kapelle am Wendehammer in der Langemark in Niederfischbach sowohl Anwohner als auch Spaziergänger. Aber wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass die Kapelle in dieser Form an genau diesem Ort gebaut wurde und aus welcher Motivation heraus? Von wem stammte die Idee und wer war an der Umsetzung beteiligt? Und wer kümmert sich eigentlich um die Pflege und Unterhaltung des kleinen Zufluchtsortes? All diesen Fragen bin ich in einem Gespräch mit Wolfgang Euteneuer und Hans-Walter Dornhoff, Anwohnern der Langemark und derzeitigen Verantwortlichen in Fragen Marienkapelle, nachgegangen. Das Projekt Kapellenbau in der Langemark begann im Jahr 1995/1996. Die Initiatoren des Projektes waren die zwei Nachbarn und Freunde Erich Huhn (1929-2010), Bahnbeamter und Hobby-Elektroniker, und Günter Trapp (1929-2015), Schreiner und Hausmeister. Die beiden Rentner waren handwerklich sehr begabt und werkelten und tüftelten leidenschaftlich gern in ihren Garagen oder der Werkstatt von Erich Huhn. Eines Tages, während sie kleine Hocker und Vogel-Nistkästen bauten, kam ihnen die Idee, als nächstes Freizeitprojekt einen Bildstock zu entwerfen.

Diesen wollten sie an dem Waldweg Langenbach-Obstplantage bei der Abzweigung zum Höhenkreuz aufstellen, welcher über einen schmalen Pfad vom Wendeplatz der Langemark zu erreichen ist. Schon bald entwickelte sich diese ursprüngliche und überschaubare Idee zu einem Projekt, das eine viel größere Dimension haben würde, denn es kam ihnen der Gedanke eine Kapelle zu bauen.

An vielen Wanderwegen in und um Niederfischbach stehen bereits Bildstöcke und Kreuze, an denen die Spaziergänger und Wanderer kurz innehalten und beten können. Aber eine Kapelle, die gibt es in Niederfischbach noch nicht. Dies war wohl ein wesentliches Argument dafür, die ursprüngliche Idee zu verwerfen. Die beiden Rentner waren absolut begeistert und ließen sich, trotz Einwände der Ehefrauen bezüglich des Arbeitsaufwandes und der Finanzierung, nicht mehr von ihrem Projekt abbringen. Der Entschluss zum Bau einer Kapelle war gefasst.
Ihnen war aber wohl klar, dass sie dieses größere Projekt nicht alleine würden stemmen können, denn bereits vor Beginn des Baus fragte man die unmittelbaren Nachbarn, ob sie sich sowohl finanziell als auch mit Tatkraft am Bau beteiligen würden. Da hieß es teilweise auch zurückhaltend und skeptisch, dass sie es sich alle gut überlegen sollten, denn „ihr Döste müsst dat nachher maachen, wenn die nimmi säin.“ Was zu Recht kein unbegründeter Einwand gewesen ist, denn mittlerweile ist es so gekommen, dass die Nachbarn Hans-Walter Dornhoff und Wolfgang Euteneuer die Verantwortung für die Kapelle übernommen haben. Diese erinnern sich aber daran, dass sie nicht lange überlegt haben und ihre Unterstützung bereitwillig zusagten. „Dat woar numa su!“

Günter Trapp fertigte daraufhin einen ersten Entwurf der Kapelle an und nach einigen Besprechungen und Änderungen am Entwurf hatte man sich darauf geeinigt, wie die kleine Kapelle aussehen und welche Ausmaße sie haben sollte. Anhand der Entwürfe erstellten beide Bauherren nun eine Bedarfsliste und kauften das erforderliche Bauholz, welches über mehrere Monate eingelagert wurde, damit es in trockenem Zustand verarbeitet werden konnte. Im Frühjahr 1996 begann man damit, das Fachwerk-Gerippe im Garten von Erich Huhn provisorisch aufzustellen, um in Werkstattnähe zu sehen, ob man richtig geplant hatte und um gegebenenfalls Änderungen vornehmen zu können.          

Wo sollte die Kapelle aber nun letztendlich gebaut werden?

Der Platz am Waldesrand am Wendehammer der Langemark schien den beiden Rentnern -aufgrund der Nähe zu den Wohnhäusern und der schönen Lage mit weitem Blick übers Tal und dem Blick auf das Niederfischbacher Eicherfeld - ideal geeignet zu sein für ihre kleine Kapelle. Mit zunehmendem Alter wäre sie dort auch täglich viel besser zu erreichen als am ursprünglich angedachten Standort im Wald. Es wurde nicht länger überlegt. Man war wohl so voller Tatendrang, endlich richtig loszulegen, dass man sogleich einen bekannten Baggerfahrer, der den vorgesehenen Standort ausbaggern sollte, engagierte, ohne die Grundstücksfrage offiziell zu klären und zu regeln. „Heute würde das nicht mehr so laufen, dass man praktisch bei Nacht und Nebel eine Kapelle ohne Bauantrag errichtet“, sagt Wolfgang Euteneuer. Fest steht, dass die beiden Rentner davon ausgingen, dass niemand etwas gegen einen Kapellenbau haben könne, schließlich diene dies einem höheren Zweck und letztendlich auch der Allgemeinheit, da es den Ort Niederfischbach positiv bereichern würde. Gegen Ende des Bauprozesses kam es dann diesbezüglich zu Auseinandersetzungen mit der Gemeinde und der Haubergsgenossenschaft. Man einigte sich allerdings und die Einwände und Forderungen seitens der Gemeinde und der Genossenschaft wurden beigelegt. Das ist einerseits sicherlich auf die guten Beziehungen der Rentner zu Mitgliedern der Verbandsgemeinde und der Haubergsgenossenschaft und andererseits auch auf den Rückhalt und Zuspruch in der Dorfgemeinschaft zurückzuführen gewesen. Am Ende hat sich so rechtlich doch noch alles zum Guten gewandt.

Nachdem nun der Platz am Wendehammer ausgeschachtet worden war, halfen alle unmittelbaren Nachbarn beim Gießen des Fundaments. Das vorläufig im Garten aufgestellte Fachwerk wurde wieder abgebrochen und man begann mit dem Außenaufbau am endgültigen Standort. Den ganzen Sommer über wurde mit Leidenschaft und großem Elan am Rohbau sowie den Außenanlagen gearbeitet, erinnert sich die Tochter von Erich Huhn. Der Abhang hinter der Kapelle wurde befestigt und begrünt sowie ein Weg zum Eingang der Kapelle gepflastert. Auch der Pfad zum Wanderweg Obstplantage wurde befestigt und teilweise mit einem Geländer versehen, damit auch ältere Spaziergänger den Pfad leichter begehen und die Kapelle einfacher erreichen konnten. Im Spätsommer war der Außenbau fertiggestellt. Das Dach war gedeckt, der Vorbau angebracht und die Fassade verputzt worden.

Die Nachbarn beim Gießen des Fundaments. Wolfgang Euteneuer, Lothar Schirmuly, Alfons Schmidt, Erich Huhn, Günter Trapp (v. links)

Die Nachbarn beim Gießen des Fundaments. Wolfgang Euteneuer, Lothar Schirmuly, Alfons Schmidt, Erich Huhn, Günter Trapp (v. links)

Eich Huhn und Günter Trapp (v. links) beim Bau der Kapellentüre.

Eich Huhn  und Günter Trapp (v. links) beim Bau der Kapellentüre. 

 

 

 

Die Dachlatten werden angebracht.

Die Dachlatten werden angebracht.

Das Dach wird gedeckt. Wolfgang Euteneuer, Erich Huhn und Günter Trapp (v. links)

Das Dach wird gedeckt. Wolfgang Euteneuer, Erich Huhn und Günter Trapp (v. links)

Den Herbst verbrachten Erich Huhn und Günter Trapp mit der Innengestaltung der Kapelle. Sechs Sitzbänkchen und ein Altar wurden entworfen und von Günter Trapp gefertigt, welcher auch sein Gesellenstück, eine aufwendige Intarsie aus Holz, in den unteren Bereich des Altars einarbeitete. Die anmutige und schlichte Marienstatue, die sich auf dem Altar befindet, wurde von Verwandten gestiftet und war Anlass dafür, die Kapelle nach Maria zu benennen.

Die Anteilnahme und das Engagement für die Kapelle waren groß, und so war die Marienstatue bei Weitem nicht die einzige Sachspende. Hans-Walter Dornhoff erzählt, dass er in jenem Jahr im Kuraufenthalt eine Glocke auf einem Bauernmarkt entdeckte und sofort dachte, das wäre doch was für unsere Kapelle. Er brachte die Glocke mit, für die dann ein eigenes Glockentürmchen gebaut wurde. Auf dem Glockenturm wurde ein Wetterhahn aus Edelstahl angebracht, den Wolfgang Euteneuer selbst auf der Arbeit anfertigte. Die Nachbarn versuchten alle ihren Beitrag zum Gelingen des Projektes zu leisten. Der Kapellenbau, der mehrere tausend Mark kostete, konnte finanziell nicht allein von den beiden Bauherren Huhn und Trapp getragen werden. Neben den Beiden, die ohne Frage einen Großteil an Geld, Zeit und Arbeitsaufwand investierten, zeigten sich auch viele der Nachbarn und Anwohner im Ort finanziell großzügig. Auch ortsansässige Firmen waren bereit das Projekt durch Sachspenden zu unterstützen. Den Beiden gelang es, durch ihre guten und zahlreichen Kontakte viele Niederfischbacher von dem Projekt zu überzeugen, so dass etwa fünfzig private Spender gewonnen werden konnten. Das hat dazu beigetragen, den Bau allein durch Sach- und Geldspenden zu finanzieren.


Im Dezember 1996 war es dann soweit. Die Marienkapelle war nach einem Jahr intensiver Arbeit fertiggestellt. Der damalige Niederfischbacher Pfarrer Leidner schaute sich die fertige Kapelle an und sei regelrecht sprachlos gewesen, als er das stabile, schmucke Kapellchen sah, denn das schien er nicht erwartet zu haben. Die Bedenken, ob er den Bau überhaupt offiziell einweihen würde, waren somit schnell verflogen. Am dritten Adventssonntag 1996 fand eine Einweihungsandacht statt, zu der trotz schlechtem Regenwetter zahlreiche Niederfischbacher erschienen, was die beiden Bauherrn wohl mit großem Stolz erfüllt haben muss, zeigte es doch, dass die Arbeit eines ganzen Jahres auf Anerkennung und Würdigung stieß.

Die Nachbarn bei einer verdienten Arbeitspause. Hans-Walter Dornhoff, Alfons Schmidt, Günter Trapp, Erich Huhn, Enkelin von Herrn Dornhoff, Lothar Schirmuly (v. links)

Die Nachbarn bei einer verdienten Arbeitspause. Hans-Walter Dornhoff, Alfons Schmidt, Günter Trapp, Erich Huhn, Enkelin von Herrn Dornhoff, Lothar Schirmuly (v. links)

Die Kapelleneinweihung am 3. Adventssontag 1996.Die Kapelleneinweihung am 3. Adventssontag 1996.

Die Einweihungsandacht durch Pfarrer Leidner.

Die Einweihungsandacht durch Pfarrer Leidner.

 

Was ist nun seit der Einweihung vor gut zwanzig Jahren alles passiert?

In den nächsten Jahren kümmerten sich Erich Huhn und Günter Trapp um alle anfallenden Arbeiten. Nach dem Tod von Erich Huhn im Jahr 2010 stellte sich die Frage nach einer Nachfolge im Kapellendienst, denn auch Günter Trapp war es gesundheitlich nicht mehr möglich, die anfallenden Tätigkeiten allein zu bewältigen. Da den übrigen Nachbarn aber bereits im Baujahr klar war, dass sie eines Tages gefordert sein würden, verlief die Übergabe reibungslos. Das neue Team bildeten – und bilden bis heute - Hans-Walter Dornhoff und Wolfgang Euteneuer.

Sie wollen das, was ihre alten Freunde und Nachbarn aufgebaut haben, so lange es geht weiterführen und erhalten. Beide sind optimistisch, dass es auch nach ihnen irgendwie weitergehen wird und sich unter den Nachbarn neue Verantwortliche finden werden, obwohl sie betonen, dass die Aufgabe mit viel Arbeit verbunden ist und einen gewissen Zeiteinsatz fordert. So verwaltet Hans-Walter Dornhoff das Kapellenkonto und kümmert sich um den anfallenden Schriftverkehr beispielsweise mit Versicherungen. Die „Küsterdienste“, beispielsweise das Auf- und Zuschließen der Kapelle, werden von Wolfgang Euteneuer übernommen. Immer wieder fallen Reparaturen am Bau selbst an. So bekam die Kapelle im letzten Jahr einen neuen Außenanstrich. Am meisten Arbeit macht allerdings die Pflege und die Sauberhaltung der Außenanlagen, bei der beide gleichwohl gefordert sind. Es gilt Sträucher zu beschneiden, Moos zu entfernen, Laub zu fegen und den Pfad zum Obstplantagenweg sauber zu halten.

Wolfgang Euteneuer und Hans-Walter Dornhoff (v. links) beim Aufbau der Krippe 2016

Wolfgang Euteneuer und Hans-Walter Dornhoff (v. links) beim Aufbau der Krippe 2016

Jedes Jahr Anfang Dezember beginnen die Weihnachtsvorbereitungen, denn dann wird eine Krippe aufgebaut und der Tannenbaum vor der Kapelle mit Lichterketten geschmückt. Es ist ein zauberhaftes Bild, wie die Kapelle im Licht des Tannenbaums erstrahlt und sich der Kerzenschein in den kleinen Fenstern spiegelt.  Ganz besonders schön ist es natürlich, wenn die Kapelle inmitten einer verschneiten Winterlandschaft liegt und große Eiszapfen vom Dach der Kapelle herabhängen - wie auch in diesem Jahr. Diese friedliche und heimelige Atmosphäre lockt besonders in den Wintermonaten Besucher an. Spaziergänger besuchen gerade um die Weihnachtstage bei einem Winterspaziergang gerne die Marienkapelle, um in den dunkleren Tagen des Jahres die Behaglichkeit der Kapelle zu genießen, eine Kerze für die Lieben anzuzünden und die schöne Krippenlandschaft zu bestaunen. Der Stall der Krippe sowie die Krippenlandschaft sind noch von Günter Trapp gefertigt worden. Im Laufe der Zeit hat man immer mehr Krippenfiguren hinzugefügt, sodass nun jedes Jahr von Anfang Dezember bis Ende Januar eine recht große und besonders liebevoll gestaltete Krippenlandschaft bewundert werden kann. „Neulich, kurz vor Weihnachten, wollte ich die Kapelle abschließen und da sah ich, dass eine Familie mit Kindern in der Kapelle die Krippe betrachtete und fröhlich Weihnachtslieder sang. Das hat mich natürlich sehr gefreut, denn man sieht, dass man andere glücklich macht und sich die ganze Arbeit doch irgendwie auszahlt“, erzählt Wolfgang Euteneuer. In den Sommermonaten ist es dann doch vergleichsweise ruhig um die Kapelle und nur ab und zu brennt ein Teelicht. Die Besucherzahl ist insgesamt gesehen natürlich nicht sehr hoch und es „könnten gerne mehr Besucher sein“. Man merke eben den Wandel der Zeit.

Aber es gibt immer wieder Momente, in denen den Beiden bewusst wird, dass sich die ganze Arbeit auszahlt. So beispielsweise, wenn man gelegentlich Dankesbriefe an die Mutter Gottes findet, die von Betenden zurückgelassen werden. Auch wenn diesem religiösen Moment immer weniger Bedeutung zukommt, steht fest, dass Erich Huhn und Günter Trapp mit dem Errichten der Marienkapelle ein Kleinod geschaffen haben. Der idyllische Anblick erfreut sowohl Alt als auch Jung und fördert das gute Miteinander der Nachbarn. Stehen größere Arbeiten an werden die direkten und unmittelbaren Nachbarn zusammengerufen. Diese fühlen sich verantwortlich und beteiligen sich ohne zu Zögern an anfallenden Aufgaben. Die kleine Marienkapelle trägt zum Zusammenhalt der Nachbarschaft bei und ist Ausdruck dafür, dass ein gemeinschaftlich entstandenes und erarbeitetes Projekt Menschen über viele Jahre hinweg zusammenschweißen und verbinden kann.

  (2017)